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3. Oktober 2022

Neues Nachweisgesetz belastet Unternehmen: Interview mit Dr. Jens Steudter, Rechtsanwalt und zugleich Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwälte Lauer-Nack & Kollegen, Daun

Zum 01.08.2022 ist das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen“ in Kraft getreten und macht das in der Praxis bislang wenig beachtete Nachweisgesetz ab sofort zum Pflichtprogramm für Arbeitgeber. Arbeitsverträge müssen zum Teil recht umfassend angepasst und erweitert werden. Neu ist auch, dass eine Verletzung der Vorgaben des Nachweisgesetzes ab sofort eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt. Dr. Jens Steudter, Rechtsanwalt und zugleich Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwälte Lauer-Nack & Kollegen, Daun hat gemeinsam mit der WFG Vulkaneifel am 13.09.2022 ein Online-Seminar für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Landkreis Vulkaneifel angeboten. Im Nachgang stand er WFG-Geschäftsführerin Judith Klassmann-Laux Rede und Antwort zum neuen Nachweisgesetz:

Herr Dr. Steudter, schon bisher regelte das Nachweisgesetz, dass der Arbeitgeber einige Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen hatte und dem Arbeitnehmer aushändigen musste. Dafür galt bislang eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Wieso ist dann die Neuregelung für Arbeitgeber so interessant?

Das ist zunächst richtig, auch die bisherige Version des Nachweisgesetzes verlangte gewisse Inhalte vom Arbeitsvertrag. Dennoch hatte das Nachweisgesetz in der bis zum 31. Juli gültigen Fassung in der Praxis kaum Bedeutung, da etwaige Verstöße in aller Regel folgenlos blieben. Dies wird künftig vermutlich anders sein, denn bei Verstößen droht jetzt ein Bußgeld von bis zu 2.000,00 €.

Außerdem sind die Anforderungen jetzt deutlich detaillierter, der Arbeitgeber muss also eine Vielzahl weiterer Bedingungen nachweisen, zudem gibt es einige Anforderungen, die meiner Erfahrung nach kein Arbeitgeber in den bisherigen Arbeitsverträgen beachtet hat.

Was meinen Sie damit?

Hier genügt ein Blick in das Gesetz. So beinhaltet § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes in seiner aktuellen Version 15 Ziffern, die eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen auflisten, die jetzt dem Arbeitnehmer nachzuweisen sind.

Dabei fällt insbesondere Ziffer 14 auf, die es in dieser Form so vorher nicht gegeben hat. Danach muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer „das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage“ mitteilen.

Schon heute wird die Frage nach dem „bei der Kündigung einzuhaltenden Verfahren“ von den Juristen diskutiert. Stellen Sie sich als Arbeitgeber nur einmal vor, Sie beschäftigen einen schwerbehinderten Menschen oder einen „Elternzeitler“ und wollen das Arbeitsverhältnis kündigen. Müssen Sie dann neben dem Kündigungsschutzprozess bereits im Arbeitsvertrag beispielsweise die notwendige Beteiligung des Integrationsamtes bei der Kündigung Schwerbehinderter erläutern? Und wie weit geht diese Pflicht? Muss also dann der Arbeitgeber bei einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung dem Arbeitnehmer auch seine Rechtsbehelfe hiergegen erklären, also den Gang des Verfahrens einer etwaigen Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht?

Das ist heute noch alles völlig offen. Die Arbeitsrechtler werden also im ersten Schritt kreativ Klauseln für den Arbeitsvertrag entwickeln, mit denen nur versucht werden kann, den Anforderungen des Nachweisgesetzes bestmöglich zu entsprechen. Ob dies gelingt, erfahren wir erst in der Zukunft, wenn sich auch die Arbeitsgerichte damit befasst haben.

Für welche Arbeitsverträge gelten diese neuen Pflichten?

Die neuen Pflichten gelten unmittelbar für alle Neueinstellungen seit dem 1. August diesen Jahres. Dabei sind die Fristen zwar gestaffelt, manche Angaben müssen aber bereits am Tag der Arbeitsaufnahme dem Arbeitnehmer bestätigt werden. Vor diesem Hintergrund wird es sich sicherlich etablieren, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – so wie jetzt eigentlich meistens auch – bereits vor Arbeitsaufnahme den Arbeitsvertrag vorlegt und dieser Arbeitsvertrag vollumfänglich dem Nachweisgesetz genügt.

Bei denjenigen Arbeitnehmern, die bereits vor dem Stichtag zur Belegschaft gehörten, muss der Arbeitgeber nur auf Aufforderung tätig werden. Dann sind aber die Fristen für die Mitteilung der verschiedenen Arbeitsbedingungen erneut gestaffelt, wobei die erste Frist nach 7 Tagen abläuft. Es ist daher sicherlich prozessökonomisch, binnen der 7 Tage für den Arbeitnehmer beispielsweise ein Datenblatt zu erstellen, welches bereits alle Angaben enthält, die das neue Nachweisgesetz fordert.

Aufpassen muss der Arbeitgeber auch, wenn er im laufenden Arbeitsverhältnis einzelne Arbeitsbedingungen verändert. Dann muss ebenfalls das neue Nachweisgesetz beachtet werden – und zwar auch ohne Aufforderung durch den Arbeitnehmer. Dabei ist die Änderung spätestens am Tag der Umsetzung, also wenn die Änderung wirksam wird, dem Arbeitnehmer entsprechend mitzuteilen.

Welchen Tipp geben Sie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern?

Bereiten Sie sich als Arbeitgeber auf die Umsetzung dieser Regelung vor. Falls Sie Musterarbeitsverträge benutzen, die Sie bei der Einstellung verwenden, sollten Sie diese umgehend um die neuen Angaben ergänzen. Für alle Beschäftigten, die vor dem 1. August 2022 bereits im Betrieb waren, sollten Sie überlegen, für welche Arbeitnehmergruppen ggf. Standardschreiben mit den ergänzenden Hinweisen verfasst werden können. Allerdings geht dies nur, wenn tatsächlich identische Arbeitsbedingungen bestehen. Auf Nachfragen Ihrer Belegschaft müssen Sie sich jedenfalls einstellen. Abschließend sollten die Arbeitgeber unbedingt an die Schriftform denken, denn der Gesetzgeber hat sich im neuen Nachweisgesetz ausdrücklich gegen eine Modernisierung durch die elektronische Form entschieden. Die in der digitalisierten Welt heute weithin üblichen Kommunikationsmittel per E-Mail mit elektronischer Signatur genügen also nicht. Dem Arbeitnehmer muss vielmehr der Arbeitsvertrag oder das Datenblatt mit der Original-Unterschrift des Arbeitgebers übergeben werden.

Rechtsanwalt Dr. Steudter

Zur Person

Herr Rechtsanwalt Dr. Steudter berät mittelständische Unternehmen und Banken. Darüber hinaus vertritt er Mandanten vor den Zivilgerichten ebenso wie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Arbeitsgerichtsverfahren, insbesondere betreffend den Kündigungsschutz. Seine fundierten arbeitsrechtlichen Kenntnisse zeigen sich in der Promotion und einer früheren Dozententätigkeit an der Industrie- und Handelskammer.

Zu einem weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit hat sich in den letzten Jahren das Bau- und Architektenrecht entwickelt.

 

 

 

 

 

 

Pressekontakt:

Isabel Schneider

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Kreisverwaltung Vulkaneifel
– Zentrales, Finanzen und Kultur –
Mainzer Straße 25
54550 Daun
Tel.: 06592 / 933 – 380
Fax: 06592 / 98 50 33
www.vulkaneifel.de

Kategorien:
Wirtschaft

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Autor(in): Klaus Schäfer
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