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26. Mai 2021

Manchmal hilft nur die Trennung

Mit dem Fahrrad durch schöne Landschaften fahren und den Wein genießen, wo er wächst – was sich gut anhört, birgt leider auch Probleme und Konfliktpotenzial. Denn die zunehmende Kilometerzahl des rheinland-pfälzischen Radwegenetzes und dessen verstärkte Bewerbung sind nicht nur eine Bereicherung in touristischer Hinsicht, sondern auch ein wachsendes Problem für die Landwirtschaft.

“Bei den Anfragen zu Radwegen, die uns als Träger öffentlicher Belange erreichen, geht es fast immer um die Vereinbarkeit von Radverkehr und landwirtschaftlichem Verkehr“, berichtet Berater Oliver Strub von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Gerade in Rheinhessen gebe es zahlreiche Beispiele, wo Interessen kollidierten. Da ist die Ortsgemeinde, die etwa gemeinsam mit Rheinhessen-Touristik durch den neuen Radweg den regionalen Tourismus ankurbeln möchte. Dann sind da die Winzer und Landwirte, deren Flächen nahe entlang des geplanten Radweges liegen. Und da ist der Landesbetrieb Mobilität (LBM), der lieber 3,5 Meter breite Wirtschaftswege mit kombinierter Nutzung haben möchte als schmale Radwege, die den schweren Maschinen der Landwirte möglicherweise nicht lange standhalten.

Auch die Förderpolitik spielt eine Rolle: Es sind zahlreiche Mittel aus EU-Töpfen, so etwa in LEADER-Regionen, die zwar den ländlichen Raum stärken wollen. Doch die daraus resultierenden Auswirkungen würden in ihrem komplexen Zusammenspiel unterschätzt. Gerade erst hat das rheinland-pfälzische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau die neuesten Förderbescheide für Radwege veröffentlicht. 23 Radwegprojekte im ländlichen Raum werden mit insgesamt rund vier Millionen Euro gefördert – Nachschub für zahlreiche Diskussionen auf allen Ebenen.

Leute vor Ort befragen

Die Landwirtschaftskammer schaut bei solchen Vorhaben im Vorfeld genau hin, so Oliver Strub: „Wir befragen die Leute vor Ort, die die Region genau kennen. Wenn es von Seiten des Berufsstandes Bedenken gegen einen geplanten Radweg gibt und wir diese Einschätzung teilen, äußern wir das im Planungsverfahren.“ Doch das klingt einfacher, als es sich in der Praxis darstellt. In einer rheinhessischen Region habe man beispielsweise auf wenig Fläche einerseits Nutztierhaltung mit Ackerbau und in der gleichen Ortsgemeinde eine Winzerhofaussiedlung mit Event-Location. „Da bekommen wir zum Thema Radweg keine einheitliche Meinung hin“, berichtet Berater Strub, der die grundsätzliche Meinung der Landwirtschaftskammer zu gemischt genutzten Radwegen auf den Punkt bringt: Eine Trennung von Radwegen und landwirtschaftlich genutzten Wirtschaftswegen ist anzustreben, je höher die Nutzungsfrequenz beider Seiten ist. Die Liste möglicher Konfliktsituationen ist lang: Begegnungsverkehr mit hohen Geschwindigkeiten (von Traktoren und Radfahrern!) und geringem Abstand, Wendemanöver auf dem Radweg, Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln, Verschmutzung des Weges mit Erde oder Ernteresten. Und gerade wenn Maschinen von Lohnunternehmen, die der Landwirt nach Zeit bezahlen muss, nicht an den Radfahrern vorbeikommen, ist Ärger vorprogrammiert. Doch es gibt natürlich auch Lösungsvorschläge, sollte eine räumliche Trennung nicht möglich sein. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche kann einige Meter von der Trasse zurückgesetzt werden. Eine Trassenführung parallel zur Bewirtschaftungsrichtung ist ebenso denkbar. „Eine weitere Variante ist die Einrichtung eines zusätzlichen Erdweges, der einige Meter vom Radweg entfernt parallel verlaufen kann“, so Strub.

Flächen sind knapp

Gerade in Rheinhessen und der Pfalz sind landwirtschaftliche Flächen sehr knapp. „Nirgendwo in Rheinland-Pfalz zeigt sich der aktuelle Bau-Boom so deutlich wie hier in unmittelbarer Angrenzung zu den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Das spiegelt sich auch in den stark steigenden Bodenpreisen wider“, sagt Ralph Gockel, Abteilungsleiter Raumordnung und Bildung bei der Landwirtschaftskammer. Dennoch müsse man im Zweifel für die Sicherheit auch in Kauf nehmen, wenn Rad- und Wirtschaftswege getrennt werden. „Falls zusätzliche Anforderungen des Naturschutzes für den Ausgleich die Problematik verschärfen sollten, gibt es allerdings auch genug konstruktive Vorschläge von Landwirtschaft und Weinbau, die Kompensation flächensparend, nämlich produktionsintegriert, umzusetzen“, betont Ralph Gockel.

Die Beraterinnen und Berater der Landwirtschaftskammer betonen: „Die Trennung von Radverkehr und landwirtschaftlichem Verkehr ist keine grüne Idee, sondern ein Schutz für den Berufsstand. Gleichzeitig gilt das auch für die Bevölkerung, die zunehmend Landschaft und Natur für sich entdeckt. Wir werben deshalb bei den Planern sehr um Verständnis für die Landwirtschaft, deren Arbeitsumfeld zunehmend von freizeitlichen Aktivitäten vereinnahmt wird.“ Das sei während der Corona-Pandemie umso deutlicher geworden.

 

Kontakt:

Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz
Haus der Landwirtschaft
Burgenlandstraße 7, 55543 Bad Kreuznach
Postanschrift:
Postfach 18 51, 55508 Bad Kreuznach
Telefon: 0671 793-0
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Kontakt zur Redaktion: redaktion(at)lwk-rlp.de

 

Kategorien:
Landwirtschaft · Marke EIFEL

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Autor(in): Klaus Schäfer
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Ein Kommentar

Kommentare




  1. Heinz Bossert sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Löblich, dass Sie dieses Thema angehen! Leider steht auch in diesem Zusammenhang wie beim Wald die ökonomische Nutzfunktion unhinterfragt im Vordergrund. Auch bei der Landschaft gibt es jedoch auch die Erholungsfunktion und die Schutzfunktion (Klimaschutz, Reduzierung der Erderwärmung). Hätte man diese Seiten mehr im Blick würde man zum Beispiel viele Gefahren und Probleme dadurch vermeiden, dass keine Pflanzenschutzmittel versprüht werden, kleinere Traktoren und Maschinen unterwegs wären, Klein- bzw. Familienbetriebe unterstützt und die großflächigen landwirtschaftlichen Nutzungsformen in Großbetrieben verschwinden würden. „Small is Beautiful“ – diese Einsicht entwickelte sich schon in den 1970er-Jahren. Davon hätten alle mehr: die Bauer*innen, die Erholungsuchenden, das Land und die Natur und damit die ganze Erde.
    Mit freundlichen Grüßen
    Heinz Bossert, 53533 Aremberg

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