WIR. LEBEN. EIFEL.
WIR. LEBEN. EIFEL.
Menu
18. Juli 2018

Indikatoren zur Messung von Nutzeneffekten des Tourismus

Dass sich Tourismus und Tourismuswachstum auf Regionen, Orte und ihre Entwicklung auswirken, liegt nahe. Im Vordergrund stehen vielfach die ökonomischen Effekte. So werden positive Wirkungen von Freizeit und Tourismus bisher üblicherweise über klassische quantitative Indikatoren wie Übernachtungs- und Besucherzahlen, Entwicklung der Angebotsstruktur mit Betten und nach Betriebskategorien oder über die Kennzahlen zum Wirtschaftsfaktor Tourismus gemessen. Diese vorwiegend quantitativ-ökonomisch ausgerichteten Parameter bleiben wichtig, reichen für eine umfassende, zukunftsweisende Analyse und Bewertung des Tourismus aber nicht mehr aus. In zunehmend gesättigten Märkten wie der Freizeit- und Tourismusbranche geht es auch um qualitative Image-, Attraktivitäts- und Infrastruktureffekte, um Stabilisierungs- und Standorteffekte oder um das Potenzial zur Bildung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Daher ist es empfehlenswert, neben den klassischen Kennzahlen über den Tellerrand hinaus zu blicken und weitere Indikatoren zur Messung von Nutzeneffekten des Tourismus heranzuziehen. Viele der Indikatoren lassen sich sinnvoll nur auf kommunaler Ebene erfassen (siehe auch Marktforschungsbeitrag „Tourismusbewusstsein – Grundlage für strategische Entscheidungen und eine perfekte Servicequalität“ ). Im Folgenden werden daher die Effekte beschrieben und wo sinnvoll um Entwicklungen auf Bundeslandebene ergänzt.

 

Ökonomische Effekte

Bekannt, wenn auch noch nicht in allen Köpfen dauerhaft verankert, sind die unmittelbaren ökonomischen Wirkungen des Tourismus- und Freizeitsektors, der wie andere Wirtschaftsbereiche auch Umsätze und daraus Einkommen generiert. Darüber hinaus tritt die Branche als lokaler Arbeitgeber auf, noch dazu mit nicht verlagerbaren Arbeitsplätzen. Über Steuereffekte leisten Freizeit und Tourismus Beiträge zur Refinanzierung kommunaler Investitionen und Ausgaben für den Sektor, zum Beispiel Zuschüsse zum Tourismusmarketing, für den Ausbau von Wegen und Beschilderung. Sie tragen damit auch finanziell zur Steigerung von Infrastruktur oder Bekanntheit und Imagewandel durch Marketing bei. Die ökomischen Effekte des Tourismus in Rheinland-Pfalz wurden bereits in einem Marktforschungsbeitrag im Dezember 2017 detailliert betrachtet. Mit 7,18 Milliarden Euro Bruttoumsatz, 3,3 Milliarden Euro touristischem Einkommensbetrag, 148.000 touristisch Beschäftigen sowie einem Steueraufkommen von 679 Millionen Euro ist der Tourismus zweifelsohne ein touristisches Schwergewicht im Bundesland. (Quelle: https://rlp.tourismusnetzwerk.info/2017/12/15/tourismus-bringt-72-mrd-euro-bruttoumsatz-fuer-rheinland-pfalz/)

 

Der touristische Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz wächst. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe lag im Juni 2017 bei rund 46.000 Personen und ist seit 2012 um 15 % angestiegen (D: 17,9 %). Der Anteil der geringfügig Beschäftigten an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit 43,2 % im deutschlandweiten Vergleich (D:36,2 %) recht hoch. Auch das Wachstum der geringfügig Beschäftigten im Gastgewerbe ist mit +10,0 % ggü. 2012 höher als in Deutschland insgesamt (+7,9 %). (Stand: Juni 2017, Quelle: www.arbeitsagentur.de)

 

Mit Stand Juni 2017 gab es 2.513 frei gemeldete Arbeitsstellen im Gastgewerbe in Rheinland-Pfalz. Die Zahl der frei gemeldeten Arbeitsstellen ist seit 2012 um rund 44 % gestiegen. Die Zahl der Ausbildungsstellen im Gastgewerbe hingegen ist im gleichen Zeitraum um 10 % auf 1.741 Stellen gesunken (Stand: September 2017, Quelle: www.arbeitsagentur.de). Problematisch: Rund ein Fünftel dieser Stellen waren 2017 unbesetzt – Tendenz steigend. Hier wird einmal mehr der Fachkräftemangel im Gastgewerbe sichtbar, dem mit einer Verbesserung des Branchenimages, flexibleren Arbeitszeitenmodellen, attraktiven Weiterbildungsmöglichkeiten sowie einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer aktiv begegnet werden muss. Doch allein das wird vermutlich nicht ausreichen. Es ist auch ein Umdenken in den Betrieben – Stichwort Unternehmenskultur – gefragt, zudem kann ein interdisziplinärer Austausch mit anderen Branchen, Wissenschaft etc. neue Ansätze für Maßnahmen bringen. Nur so kann es gelingen, die Qualität der touristischen Angebote im Bundesland weiterhin hoch zu halten und den Service zu verbessern.

 

Stabilisator und Impulsgeber für die regionale Entwicklung

Tourismus ist vor allem im ländlichen Raum ein wichtiger Faktor für die regionale Entwicklung. Er trägt zur Stabilisierung der Region bei und kann durch Vernetzungen mit anderen Wirtschaftszeigen wie der Landwirtschaft zum Impulsgeber für die Region werden. Die Branche setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Leistungsträger mit hohen KMU-Anteilen zusammen, die Angebote basieren in der Regel auf regionalen Potenzialen, und der Einzugsbereich der Nachfrage ist stark regional geprägt (Ausflugsverkehr, angrenzende Bundesländer, grenzüberschreitender Bereich). Indem landschaftsprägende Erwerbszweige wie Landwirtschaft und traditionelles Handwerk über touristische Einkommensalternativen gestärkt werden, tragen Freizeit und Tourismus auch zur Erhaltung der regionalen Attraktivität bei. Mögliche Indikatoren zur Messung dieser Wirkungsdimension sind Bevölkerungsentwicklungen, Pendlerströme, der Anteil leerstehender Wohnungen, aber auch die Zahl agrotouristischer Betriebe im Zuge der Schaffung von Einkommensalternativen. Gerade letzteres ist in Rheinland-Pfalz von Bedeutung: 680 agrotouristische Anbieter mit knapp 10.000 Betten gibt es im Bundesland, eine Vielzahl liegt entlang der Mosel. Zwei Drittel und damit der überwiegende Teil von ihnen sind Winzerhöfe, die neben der Weinwirtschaft als zweites Standbein Gäste beherbergen. Knapp 30 % dieser Höfe bieten ein Hofcafé/eine Gastronomie, knapp über 80 % haben einen Hofladen bzw. die Gäste können Produkte aus eigener Herstellung konsumieren. Damit wird die Grundlage zur Bildung regionaler Wirtschaftskreisläufe geschaffen. (Quelle: Ist-Analyse und Potenzial des Agrotourismus in Deutschland, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2017)

 

Infrastruktureffekte

Die hohe Nachfrage durch Tages- und Übernachtungsgäste führt in touristisch ausgerichteten Orten auch zu einer überdurchschnittlich guten Infrastrukturausstattung. Je nach Ausrichtung und Region zeigt sich dies in Schwimmbädern und Thermen, Bootsanlegestellen, Rad- und Wanderwegen oder sonstigen Freizeit- und Veranstaltungsangeboten. Zusätzliche Freizeitbusverbindungen oder attraktive Ticketverbünde und Cardlösungen, die Freizeitangebote mit öffentlichem Transport verknüpfen, sind nicht selten touristischem Denken und Marketingansätzen zu verdanken. Und nicht zuletzt Besatz, Vielfalt und Qualität des Gastronomie-angebotes korrespondieren mit hoher Tourismusintensität. Mögliche Indikatoren zur Messung dieser Wirkungsdimension sind die Art und Zahl der Veranstaltungen, die Verbindung und Taktung des ÖPNV, Wegekilometer von Rad- und Wanderwegen aber auch die Zahl der Ärzte pro Einwohner im Sinne einer Verbesserung der medizinischen Versorgung.

 

Attraktivitätseffekte

Attraktivitätseffekte durch Tourismus und Freizeit wirken in unterschiedliche Richtungen. Durch die Vermarktung des Tourismus- und Freizeitangebotes werden Regionen und Orte als attraktive Ziele und lebenswerte Wohnorte nach außen kommuniziert. Dadurch wächst ihre regionale, bundesweite oder sogar internationale Bekanntheit. Mögliche Indikatoren zur Messung dieser Wirkungsdimension sind qualitative Befragungen und Messinstrumente wie DestinationBrand, BrandMark oder der Glücksatlas. Auch die Entwicklung von Miet-/Kaufpreisen von Wohnungen oder Häusern können vor dem Hintergrund einer Wohnwertsteigerung hierfür herangezogen werden.

 

Standorteffekte

Standorteffekte bilden ab, inwieweit ein Imagetransfer aus dem Tourismus auf den Wirtschaftsstandort allgemein sowie Verknüpfungen mit den nicht-touristischen Industrie- und Gewerbebereichen gelingt. Diese sind bisher wenig untersucht und entsprechend schwierig zu belegen, in der Regel nur qualitativ in Einzelbetrachtungen. Inwiefern ein positives Standortimage, Lebensqualität und die generelle Dynamik des Standortes die Standortperspektiven von Betrieben positiv befördern (Ausbau, Investitionen oder Ansiedlung imageträchtiger Firmenteile), ist eine komplexe Fragestellung. Dahinter stehen vielschichtige Entscheidungsprozesse von Unternehmern und Menschen, die von vielfältigen Einflussfaktoren abhängen. Nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip lässt sich der  touristische Beitrag meist nur bedingt herausfiltern. Diese möglichen Effekte nachzuweisen gelingt nur durch Befragungen in einzelnen Unternehmen.

 

Wissenschaftliche Beratung:
dwif-Consulting GmbH
Anja Schröder, Karsten Heinsohn

Kategorien:
Tourismusregion

Als PDF speichern
Print Friendly, PDF & Email
Seite Teilen Über:


Autor(in): Klaus Schäfer
Kommentare einblenden Kommentare ausblenden

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Weitere Beiträge