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© Eifel-Literatur-Festival
20. April 2018

Der mit den Bäumen spricht

Peter Wohlleben eröffnet Gästen des Eifel-Literatur-Festivals einen neuen Blick auf den Sehnsuchtsort Wald

Prüm – Deutschlands berühmtester Förster, Peter Wohlleben, hat 700 Gästen des Eifel-Literatur-Festivals einen Abend bereitet, der nachhallt, weil er neue Sichtweisen eröffnete. In der Aula der ehemaligen Wandalbert-Hauptschule in Prüm sprach der frühere Revierförster im Eifelort Hümmel (nahe Adenau) und jetziger Leiter der Waldakademie zu seinem Welt-Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“.

Außerordentlicher Popularität erfreut sich nach Sebastian Fitzek auch Peter Wohlleben als zweiter Autor in der 13. Staffel des Eifel-Literatur-Festivals. Die verfügbaren 700 Tickets für seine Lesung waren sofort nach Vorverkaufsstart vergriffen, 300 Interessentinnen und Interessenten hatten sich noch hoffnungsvoll auf die Warteliste setzen lassen. Was aber macht die Anziehungskraft dieses Mannes aus? Vordergründig sind es zunächst einmal seine Präsenz in der Öffentlichkeit und sein Erfolg. Vielen Rheinland-Pfälzern ist der 54-Jährige beispielsweise als „Natur-Erklärer“ aus dem Südwestrundfunk bekannt. Vor allem aber hat er sich mit seinem millionenfach aufgelegten Sachbuch-Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ (2015) einen Namen gemacht. Darin hat er niedergeschrieben, was er Gästen seiner Waldführungen erklärt. Das Buch trat einen beispiellosen Siegeszug um den Globus an, selbst in Ländern, in denen Wald Mangelware ist. Und es ermöglicht ihm inzwischen ein nachdrückliches Engagement für ein Wald-Indianervolk in Kanada, dessen Lebensraum bedroht ist.

Peter Wohlleben trat vor 700 Menschen in Prüm auf. Foto: Eifel-Literatur-Festival

Warum sein Buch derart erfolgreich sei, das könne er nicht wirklich erklären, sagt Peter Wohlleben. Einen wichtigen Hinweis liefert er aber dann doch: „Es ist das erste Buch, das ich nicht mehr in Moll, sondern in Dur geschrieben habe.“ Will heißen, nach 16 Werken, in denen der überzeugte Naturschützer im wesentlichen Kritik an den negativen Auswüchsen eines rein auf Ökonomie ausgerichteten Forstbetriebs übte, hat er zum ersten Mal einen Ton angestimmt, der auf Positives ausgerichtet ist. Wie sich im Verlauf des Abends klar herauskristallisiert, geht es dabei um einen Brückenbau. Wohlleben bedient die tiefe menschliche Sehnsucht, eine harmonische Verbindung zur Natur, speziell zum Wald, entwickeln zu können. Vorab erklärt er aber erst einmal, wie uns seit der Aufklärung ein insbesondere durch Wissenschaft geformtes Weltbild auf Distanz dazu hält. So macht er über die lang gebräuchliche Darstellung des Neandertalers als affenähnliches Wesen eine grundsätzliche Geringschätzung von Leben deutlich oder belegt, wie es durch Begriffe wie „programmiert durch genetischen Code“, zur Sache degradiert wird. Wohlleben selbst hingegen verfolgt den Ansatz, Zugang durch emotionales Verständnis und Freude zu schaffen und dadurch Wertschätzung hervorzurufen. „Wer über positive Gefühle Verbindung aufbaut, der verhält sich automatisch richtig“, sagt er. Und dann sorgt er dafür, dass sein Publikum die (Wald-)Bäume als wunderbare Mitgeschöpfe kennenlernt: Die staunenden Zuhörerinnen und Zuhörer erfahren, dass sich Bäume in Liebesbeziehungen miteinander verbandeln, dass ein Mutterbaum seinen kleinen Sämling durch gezielte Zuckerabgaben „stillt“, und dass Waldbäume solidarisch die Defizite ihrer Nachbarn ausgleichen, um gemeinsam stark und alt werden zu können. Wohlleben nutzt Fotos und anschauliche Vergleiche, er vermenschlicht vieles, sodass sich im Kopf klare Vorstellungen formen. Auf diese Weise lässt es sich trefflich darüber staunen, dass Wurzelspitzen kleine Gehirne sind, dass Apfelbäume zählen können, oder dass es „Angeber“ unter den Bäumen gibt, die durch glühendes Herbstrot ihre Potenz gegenüber möglichen Angreifern zur Schau stellen. Für Erheiterung sorgt Wohllebens Schilderung vom „Wood Wide Web“, dem perfekt funktionierenden Informationssystem des Waldes, das allerdings seinen Preis hat, weil sich die daran beteiligten Pilze über Nährstoffgaben bezahlen lassen. Wie es für einen Waldfreund passt, kommt der Autor vom Hölzchen aufs Stöckchen. Er erzählt noch vom Schmerzempfinden der Bäume oder auch vom Effekt, den die Baumgesundheit auf den Menschen hat; bewegt sich jemand in einem gestressten Wald, erhöht sich sein Blutdruck. Nicht unerwähnt lässt er auch, dass ein Wald, der stehen bleibt, mehr zum Klimaschutz beiträgt, als Wald der gerodet und zu Pellets verarbeitet als klimafreundlicher Brennstoff verheizt wird.

Der Abend ist so kurzweilig, dass er viel zu schnell vorbei ist. Doch da bleibt etwas zum Mitnehmen, ein neuer, offenerer und neugieriger Blick auf den Wald und seine Bäume.

Anke Emmerling

Kategorien:
Kultur

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Autor(in): Klaus Schäfer
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Ein Kommentar

Kommentare




  1. Anna Schillinger sagt:

    Bäume ! Das ist ein Meisterwerk der Natur . Und wie wir den Wald erleben das ist eine Gnade.

    Ich persönlich würde jeden Baum einzeln umarmen. Es ist wunderbar das es noch Menschen gibt die

    so empfinden.

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