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30. März 2017

Alle wollen „regional“ – doch die Bauernhöfe verschwinden

Streitgespräch zur Landtagswahl. 

Düsseldorf, 27. März 2017. Die Situation ist absurd: die Nachfrage nach regionalen und saisonalen Produkten aus einer bäuerlichen Landwirtschaft ist riesig. Doch gleichzeitig gibt es immer weniger solche Bauernhöfe, sie müssen aufgeben, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Auch regionale Verarbeitungsbetriebe und Vermarktungsstrukturen sind in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen schon nicht mehr vorhanden. Wie kann da regionale Vermarktung noch gelingen? Die Regionalbewegung NRW und der Verein Taste of Heimat sowie der Ernährungsrat Köln luden am 24. März zum Gespräch mit den Landtagsparteien nach Düsseldorf.

Interessierte aus Handel, Landwirtschaft, Institutionen, Verbraucherschaft und Presse folgten der Einladung, um mit Annette Watermann-Krass (SPD), Hubertus Fehring (CDU), Bruno Jöbkes (Bündnis 90 / Die Grünen) und Sönke Willms-Heyng (FDP) über deren Konzepte für mehr regionale und nachhaltige Lebensmittel zu diskutieren.

Viele Jahrhundertprobleme wie Klima- und Umweltschutz oder Ernährungssicherung können nur gelöst werden, wenn wir regionale Kreisläufe stärken, sind sich die einladenden Organisationen einig. Die Ernährungswende muss regional gestaltet werden. Wir brauchen wieder unseren Bäcker, unsere Mühle, unsere Molkerei, unseren Metzger und unsere Schlachterei um die Ecke, doch das derzeitige System bevorzugt große Betriebe und macht die kleinen kaputt. Hauptursache: Die Preise sind nicht ehrlich, die Schäden an Trinkwasser und Klima zahlt die Allgemeinheit. Und: Die bürokratischen Pflichten werden immer größer und sind für die kleinen Betriebe kaum zu erfüllen. Deshalb werden Landwirtschaft und Ernährungshandwerk immer stärker von industriellen
Betrieben verdrängt, obwohl die Verbraucher-Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln aus handwerklicher Produktion eigentlich stark gestiegen ist.

„Wir fordern deshalb, dass das Land die Vermarktung regionaler Produkte unterstützt und über ein Landesprogramm Regionalvermarktung dafür Strukturen aufbaut“, so Brigitte Hilcher, Vorsitzende der Regionalbewegung NRW. „Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Bund und EU die bürokratische Hürden für Kleinbetriebe abbauen“, fordert Valentin Thurn, Vorsitzender des Kölner Ernährungsrates und dessen Trägervereins Taste of Heimat, „und dass EU-Subventionen gezielt in regional vermarktende und umweltfreundliche Betriebe gesteckt werden.“

Beide sind sich einige, dass allein der freie Markt das Dilemma nicht lösen kann: Weil zum Beispiel die Händler immer die großen Lieferanten bevorzugen. So bekommen kleine Milchbauern einen geringeren Literpreis als große, weil der Aufwand für die Abholung größer sei. Sie fordern deshalb, dass das Land auch nicht-kommerzielle Strukturen unterstützt, die Lebensmittel aus der Region an Handel und Verbraucher weitervermitteln. Die geplante Regionalagentur des Landes NRW sollte dieses in einer Modellregion finanzieren und testen.

Moderator Wilfried Bommert, Leiter des Instituts für Welternährung, befragte die Landtagsparteien nach ihren Strategien, um regionale Prozesse, Initiativen und Betriebe zu fördern. Einig waren sich alle, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken, um Landwirtschaft und regionalen Verarbeitern Perspektiven zu bieten. Auf die Unterstützung der Kundschaft könne man rechnen. Doch über die Wege dahin ist man sich kaum einig – während SPD und Grüne der Ernährung und regionalen Versorgung hohe Bedeutung einräumen, setzt die FDP allgemein auf Bildung – „und über diesen Weg erreichen wir auch eine höhere Wertschätzung regionaler Produkte“, schätzt FDP-Landtagskandidat Sönke Willms-Heyng. Der CDU-Landtagsabgeordnete Hubertus Fehring meint, dass der
Strukturwandel nicht aufzuhalten sei. „wir können nur erreichen, dass der Premiummarkt regional und bio ausgebaut wird, aber das Gros der Verbraucherschaft wird weiter günstige Lebensmittel in Supermärkten einkaufen wollen.“ Gegen den Strukturwandel stemmten sich in ihren Statements die Vertreter von Grünen und SPD – Bruno Jöbkes, Bundestagskandidat der Grünen, betont: „Wir wollen künftig kleine landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe noch stärker stützen – beispielsweise durch eine Stärkung der Förderung der ersten Hektare und durch eine umstrukturierte Förderung des ländlichen Raumes.“ Annette Watermann-Krass unterstützt aktiv beispielsweise die Gründung von Ernährungsräten und zeigt, dass sich die SPD im Bereich Landwirtschaft und regionaler Versorgung stärker engagieren will: „Wir müssen dazu beitragen, mehr Verdienst auf die Höfe zu holen und brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen
Stadt und Land, zwischen Kundschaft und Erzeugern.“

Anknüpfend an die „NRW-Erklärung nachhaltige Regionalvermarktung – zukunftsweisende Stadt-Land-Beziehungen“ aus dem Jahr 2015 sprach sich Hilcher erneut dafür aus, den Ausbau der Regionalvermarktung vor Ort gezielt auch personell zu unterstützen und z.B. entsprechend geschulte RegioNetworker einzusetzen. Es ist notwendig, dass die Politik die Vernetzung von Landwirten, die Bündelung von regionalen Sortimenten für potenzielle Nachfragen sowie die Etablierung von verarbeitenden Betrieben in den Regionen aktiv unterstützt. Das schaffen die Betriebe, die in der Regel schon arbeitsüberlastet sind, meist nicht alleine. Sie brauchen hierfür politische wie gesellschaftliche Unterstützung.“

Die Regionalbewegung NRW ist das Sprachrohr zahlreicher Initiativen, die sich für eine Stärkung regionaler Entwicklung, naturschutzorientierter, bäuerlicher Landwirtschaft sowie klein- und mittelständischer Betriebe einsetzen. Taste of Heimat ist der Trägerverein des Kölner Ernährungsrates. Gemeinsam bieten sie der Landesregierung an, an einer Zukunftsstrategie für eine Stärkung der Regionen in NRW mitzuarbeiten.

Forderungen der Regionalbewegung NRW und des Ernährungsrates Köln und Umgebung / Taste of Heimat im Überblick:
• Landesprogramm Regionalvermarktung NRW
• EU-Subventionen zum Ausbau regionaler Strukturen
• Systematische Unterstützung regionaler Initiativen auf kommunaler Ebene (Ernährungsräte und Regionalvermarktungsinitiativen mit RegioNetworkern)
• Öffentlichkeitsarbeit für nachhaltige Ernährung und Regionalität – u.a. Stärkung des Tag der Regionen,
• Unterstützung für kleine Betriebe (Erzeuger und Verarbeiter) und Bürokratieabbau
• Landes-Dialogprozess Regionalitätsstrategie und regional gestaltete Ernährungswende
• Modellprojekte zum Aufbau von Stadt-Land-Partnerschaften und Ausbau der Regionalvermarktung

Teilnehmer des Streitgesprächs von links nach rechts: Bruno Jöbkes (Bündnis 90 / Die Grünen), Hubertus Fehring (CDU), Wilfried Bommert (Leiter des Instituts für Welternährung), Annette Watermann-Krass (SPD), Brigitte Hilcher (Regionalbewegung NRW), Sönke Willms-Heyng (FDP), Valentin Thurn (Taste of Heimat / Ernährungsrat Köln)

Hintergrundinformation:

Das Streitgespräch zur Landtagswahl fand im Rahmen des Projektes „REGIONAL PLUS – fair für Mensch und Natur“, gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, statt. Ziel des Projektes ist die Förderung einer umweltverträglichen und regionalen Wirtschaftsweise in Nordrhein-Westfalen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt:
Brigitte Hilcher
1. Vorsitzende Landesverband Regionalbewegung NRW
Zur Specke 4
34434 Borgentreich
Tel. 05643-948537
Fax 05643-948803
hilcher@regionalbewegung.de

Kategorien:
Landwirtschaft

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Autor(in): Klaus Schäfer
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