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9. September 2016

Die Zukunft von Sistig in der Hand

NRW-Projekt „Entwicklung altengerechter Quartiere“ gestartet – Im Kreis Euskirchen sind Sistig und Scheven Modelldörfer – Bürger sind am Prozess aktiv beteiligt – Großer Andrang zum Auftakt

Nordeifel/Kall-Sistig – Die Überraschung war groß: Karl Vermöhlen, Ortsvorsteher von Sistig, hatte zur Auftaktveranstaltung der Dorfwerkstatt mit vielleicht 20 Bürgern gerechnet. Stattdessen waren rund 50 Leute in den Hubertushof gekommen, um den Ausführungen von Friederike Büttner, Quartiersmanagerin beim Kreis Euskirchen für das Landesprojekt altengerechte Quartiersentwicklung, zu lauschen. Auch Kalls Bürgermeister Herbert Radermacher fand den Zuspruch klasse.

Bürgermeister Herbert Radermacher begrüßte im Hubertushof rund 50 Sistiger Bürger zur Auftaktveranstaltung des Quartierprojekts. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Bürgermeister Herbert Radermacher begrüßte im Hubertushof rund 50 Sistiger Bürger zur Auftaktveranstaltung des Quartierprojekts. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Kurz und knapp gesagt geht es in dem auf zwei Jahre angelegten Projekt um nichts Geringeres als die Zukunft von Sistig. Denn der 750-Seelen-Ort leidet wie beinahe jedes andere Dorf auf dem Land an Einwohnerschwund und steht vor großen Herausforderungen. Dabei ist Sistig, im Gegensatz zu anderen Ortschaften, ein echter Vorzeigeort: Es gibt zwei Bäcker, einen Metzger, einen von den Bürgern verantworteten Dorfladen und auch noch Gaststätten, die regelmäßig ihren Schankraum öffnen. Viele Dörfer wären froh, wenn sie über eine dieser Einrichtungen verfügen würden.

Ortsvorsteher Karl Vermöhlen zeigt während seines Begrüßungsvortrags über die Demografie den Bevölkerungspilz anschaulich. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Ortsvorsteher Karl Vermöhlen zeigt während seines Begrüßungsvortrags über die Demografie den Bevölkerungspilz anschaulich. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Doch wie sieht die Zukunft für Kall überhaupt aus? Bis 2030, so errechnete es das Forschungs- und Beratungsunternehmen Empirica anhand der vom Land zur Verfügung gestellten Zahlen, sinkt die Bevölkerungszahl in der Gemeinde um 5,2 Prozent, von 11.636 Bürgern im Jahr 2012 auf dann 11.035 Einwohner. Dramatisch ist aber, wie sich die Altersstruktur in diesen 18 Jahren entwickeln soll. Die Zahl der Minderjährigen wird laut Prognose um 400 zurückgehen, die Zahl der 18- bis 65-Jährigen um rund 1400 Menschen. Dafür nimmt die Zahl der Senioren um etwa 1200 zu – oder anders ausgedrückt: der Anteil der Minderjährigen und 18- bis 65-Jährigen nimmt jeweils um 19 Prozent ab, der Anteil der Senioren um 53 Prozent zu. „Müssen wir das jetzt so hinnehmen? Ja, denn wir werden älter. Aber wie wir alt werden, haben wir in der Hand. Wir können da ganz viel gestalten“, sagte Karl Vermöhlen.

Konzentriert hörten die anwesenden Dorfbewohner den Ausführungen der Quartiermanagerin Friederike Büttner und von Ortsvorsteher Karl Vermöhlen zu. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Konzentriert hörten die anwesenden Dorfbewohner den Ausführungen der Quartiermanagerin Friederike Büttner und von Ortsvorsteher Karl Vermöhlen zu. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

„Auch im Alter möchten die meisten Menschen ihren Alltag im gewohnten Wohnumfeld mit seinen bekannten Gerüchen, Geräuschen und Wegen leben, denn dort fühlen sie sich zu Hause und sicher“, sagte Friederike Büttner. Aus diesem Grund hat das NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter das Förderprogramm „Entwicklung altengerechter Quartiere“ ins Leben gerufen mit Sistig und Scheven als Modelldörfer im Kreis Euskirchen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Menschen jeden Alters so lange wie möglich selbstständig im gewohnten Wohnort leben können und wollen.

Engagement war gefragt, denn ohne das Mitwirken der Sistiger verläuft das Förderprogramm „Entwicklung altengerechter Quartiere“ im Sande. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Engagement war gefragt, denn ohne das Mitwirken der Sistiger verläuft das Förderprogramm „Entwicklung altengerechter Quartiere“ im Sande. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Während der Auftaktveranstaltung tauschten sich die Teilnehmenden unter Anleitung von Friederike Büttner und ihrer Kollegin Heike Schmitz über ihre Wohnsituation und das Älterwerden in Sistig aus. Es sind deshalb nur zwei Fragen, die Büttner stellt: Warum wohnen Sie gerne in Sistig und was erleichtert Ihnen bereits heute den Alltag im Wohnort? Wo erleben oder sehen Sie Schwierigkeiten oder Herausforderungen? Und dann waren die Bürger an der Reihe. Einigkeit bestand darin, dass in Sistig Nachbarschaftshilfe großgeschrieben wird, dass dort ein gutes Klima herrscht, dass der Ort zentral zwischen Blankenheim, Schleiden und Kall liegt und so bezüglich des Angebots für Arbeit und Ärzte günstig liegt. Aber es wurde auch aufgezeigt, dass man in Sistig ohne Auto oft aufgeschmissen ist, dass es keinen Arzt und kein Geldinstitut vor Ort gibt, noch nicht mal einen Friseur. Manche Sachen sind sowohl negativ als auch positiv: So wird von den Sistigern einerseits das Vereinsleben gelobt, andererseits ist es aber schwierig, noch Vorstände zu bilden oder Betreuer zu finden.

Friederike Büttner ist beim Kreis Euskirchen als Quartiermanagerin für die Projekte in Sistig und Scheven verantwortlich. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Friederike Büttner ist beim Kreis Euskirchen als Quartiermanagerin für die Projekte in Sistig und Scheven verantwortlich. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Büttner und Schmitz sammelten die Antworten der Sistiger und sortierten sie mit den Teilnehmenden inhaltlich. Als bedeutend für das Älterwerden in Sistig kristallisierten sich acht Rubriken heraus: Örtliche Sozialstruktur/Zusammenleben, Wohnen und Leben, Wohnqualität, Infrastruktur „Unsere Zukunft“, Gesundheitsversorgung, Existenz, Zusammenleben/Vereine sowie Mobilität und Verkehr. Außerdem formulierten die Bürger erste Wünsche wie einen Ort der Begegnung, Informationen zur Wohnraumanpassung, Car-Sharing, einen Pflegedienst oder eine niederschwellige Gesundheitsversorgung im Dorf oder eine Generationengenossenschaft/Tauschbörse als Koordinierungsstelle für Hilfeleistungen. Und auch die Jugend soll angehört werden, was problematisch sein könnte. Schließlich war das Interesse der jungen Leute bislang gering. Dabei zeigte sich schon in der Diskussion, dass die erarbeiteten Rubriken auch die Bedürfnisse jüngere Generationen berühren.

Ortsvorsteher Karl Vermöhlen (l.) und Quartiermanagerin Friederike Büttner (r.) freuten sich über zahlreiche Antworten zu Vor- und Nachteilen in Sistig sowie Wünsche, was im Ort fehlt. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Ortsvorsteher Karl Vermöhlen (l.) und Quartiermanagerin Friederike Büttner (r.) freuten sich über zahlreiche Antworten zu Vor- und Nachteilen in Sistig sowie Wünsche, was im Ort fehlt. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Zwei Jahre soll der Prozess dauern. Einmal im Monat treffen sich die Sistiger in dieser Zeit – entweder im Gesamtplenum oder in Arbeitsgruppen – begleitet von Quartiersmanagerin Büttner. Sie betont: „Es ist wichtig, dass die Sistiger und Schevener während der zwei Jahre die verschiedenen Möglichkeiten nutzen, ihre Ideen, Anregungen und auch ihre Bedenken in den Prozess einzubringen. Denn nur wenn ihre Interessen bekannt sind, können in den Ortsteilen bedarfsgerechte Maßnahmen entwickelt werden.

Das nächste Treffen ist für Donnerstag, 6. Oktober, 18.30 Uhr, wieder im Hubertushof geplant. Bei diesem Treffen werden die erarbeiteten Ideen weiter konkretisiert, ergänzt und Maßnahmen erarbeitet.

pp/Agentur ProfiPress


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Autor(in): Klaus Schäfer
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