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13. Oktober 2015

Ein neuer Blick auf die „Tupperware des Mittelalters“

„Tupperware des Mittelalters“ nannte unlängst der flämische Kulturjournalist Rik Sauwen nach seinem Besuch des Töpfereimuseums das Raerener Steinzeug. Mit dem Leben unserer Gegenwart haben die alten „Pötte“ denn auch tatsächlich mehr zu tun, als man auf den ersten Blick glauben mag.

Seit wenigen Wochen verdeutlicht dies auf neue und innovative Weise die erste Museumsapp der Deutschsprachigen Gemeinschaft: der mGuide des Töpfereimuseums Raeren.

Wer über ein Tablet oder ein Smartphone mit dem Betriebssystem IOS von Apple oder Android von Google verfügt, der kann sich jetzt im Töpfereimuseum Raeren auf ganz neuartige Weise in die Welt der Raerener Töpfer einführen lassen. Der „mGuide“ ist ein kostenloses Programm für mobile Endgeräte mit den Betriebssystemen IOS (von Apple) oder Android (von Google). Es funktioniert nach dem Prinzip eines Audioguides, hat aber viel mehr zu bieten als ein solcher.

Mehr als ein Audioguide

An insgesamt 12 Stationen innerhalb der Dauerausstellung des Museums bietet die App ausführliches Hintergrundmaterial mit „Geschichten hinter der Geschichte“ zum jeweiligen Thema. Dies reicht von der Arbeit in der Töpferwerkstatt über das Brennen der imposanten Steinzeugöfen und die beschwerlichen Wege der Raerener Fuhrleute durch ganz Europa bis hin zu einzelnen, besonders interessanten Objekten und zum Niedergang der Raerener Töpferei. An jeder Station findet der Besucher mindestens eine Galerie mit zusätzlichem Bildmaterial und einen leicht verständlichen Erläuterungstext, den er sich in der Art eines Audioguide auch vorlesen lassen kann. Interaktive Worterläuterungen einzelner Fachbegriffe tun ein Übriges, das jeweilige Thema möglichst verständlich zu machen. Auch Hörspiele, die vor einigen Jahren von Schülern der Pater Damian Schule erstellt wurden, sind an einigen Stationen in die App integriert. So erhält der Einzelbesucher einen Ersatz für die interessanten Führungen durch das Museum, die ausschließlich für Gruppen angeboten werden können.

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Der mGuide des Töpfereimuseums Raeren steht als Version für Android oder für Apple-IOS in den jeweiligen App-Stores kostenlos zur Verfügung. (Foto: mGuide Töpfereimuseum Raeren)

(Fotos: mGuide Töpfereimuseum Raeren)

Ian Emens erzählt in bewegten Bildern

Besonders reizvoll jedoch sind die insgesamt 9 Videofilme, die den roten Leitfaden bilden, genauso durch die App selbst als auch durch die Lebens- und Arbeitswelt der Raerener Töpfer. Ian Emens, der bekannteste und beste Raerener Töpfermeister des 16. Jahrhunderts blickt hier „persönlich“ auf unsere heutige Welt, vergleicht und erzählt von seinen Erfahrungen: Wie er seine Zeit als Lehrling erlebte, was bei einem Brand alles schief gehen konnte, wie ein Händler eine komplette Schiffsladung seines Steinzeugs verloren hat und welche Strapazen die Raerener Fuhrleute auf ihren weiten Reisen auf sich nehmen mussten. Auch wie er und seine Kollegen auf die Idee kamen, Krüge mit drei Henkeln und Bauerntanzmotiven, Pilgerhörner für die Aachener Heiligtumsfahrt  oder ganz besondere Formen zu produzieren, verrät er dem Besucher.  Natürlich sind diese Geschichten fiktiv, basieren aber auf den umfangreichen und wissenschaftlich untermauerten Kenntnissen zur Lebens- und Arbeitswelt der Frühen Neuzeit, in die das Töpfereimuseum Raeren seine mehr als 2.000 Exponate eingebettet hat.

Bezug zur Gegenwart durch pädagogisches Projekt

Jeder dieser herrlich gezeichneten Animationsfilme geht dabei von der Lebenswelt der Besucher aus, von den Fragen, die diese sich wohl stellen könnten oder von Dingen und Ereignissen ihres täglichen Lebens, die sich nicht so sehr von denen des 16. Jahrhunderts unterscheiden, wie man vielleicht glauben mag: Globalisierung, Hightech, Produktpiraterie, Merchandising, Massenveranstaltungen, Gadgets und Tupperware sind Begriffe aus unserem heutigen Leben, die – anders oder gar nicht benannt – auch schon für die Raerener Töpfer vor 500 Jahren von Bedeutung waren und deren Leben maßgeblich mitprägten.

Herausgearbeitet und inhaltlich umgesetzt haben dies die Schülerinnen und Schüler einer Klasse im 4. Sekundarschuljahr der Pater Damian Schule Eupen. Unter Anleitung ihrer Lehrer Guido Havenith und Pascal Collubry, der Verantwortlichen des Töpfereimuseums Raeren sowie der Geschichtsdidaktiker vom Institut für digitales Lernen Eichstätt (D) entwickelten sie nicht nur die Grundthemen und –inhalte der Filme, sondern setzten diese auch in „Geschichten aus dem Leben“ um, erarbeiteten die Dramaturgien und Erzählstränge, zeichneten die Storyboards und lernten, selbst solche Filme auf Basis der vorgefertigten Zeichnungen am Computer zu animieren.

Neue Wege der Museumspädagogik

Technisch umgesetzt wurde die App schließlich vom Institut für digitales Lernen Eichstätt, das eng an die Katholische Universität Eichstätt (D) bzw. dessen Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik gekoppelt ist. Letzterer sorgte für den wissenschaftlich-pädagogischen Unterbau des Projektes und beide gemeinsam zeichneten auch schon für das „mBook“, ein digitales Geschichtslehrbuch für die Deutschsprachige Gemeinschaft verantwortlich. So verwundert es auch nicht, dass sowohl die Inhalte als auch die didaktischen Prinzipien der App eng an dieses mBook angelehnt sind – im Gegenteil wollen sie auch bewusst als Ergänzung zueinander verstanden sein.  So hat die Raerener Museumsapp nicht nur bei ihrer Entstehung im Rahmen dieses mehrmonatigen pädagogischen Projektes Neuland betreten, sondern kann auch in Zukunft gezielt als Ergänzungsmaterial für den Geschichtsunterricht in allen Altersklassen eingesetzt werden.

Leihgeräte im Museum

Für den Besucher im Museum bietet das Programm neben den geschilderten Inhalten auch verschiedene, sehr individuell zu handhabende Navigationsmöglichkeiten. Es kann komplett offline genutzt werden, da alle Daten beim Download auf dem Gerät gespeichert werden. Dies hat den Vorteil, dass es nicht nur im Museum und vor den Exponaten benutzt werden kann, sondern auch zur Vor- oder Nachbereitung des Museumsbesuchs, zum späteren Nachschlagen oder einfach nur, um in aller Ruhe und bei einer Tasse Kaffee noch einmal in die Welt der Raerener Töpfer einzutauchen.

Wer kein eigenes Smartphone oder Tablet hat bzw. dieses nicht nutzen will, kann natürlich auch im Museum selbst ein kostenloses Leihgerät erhalten und dieses vor Ort benutzen. Die App selbst ist in beiden Versionen kostenlos im jeweiligen App-Store erhältlich und leicht zu finden, indem man „mguide Töpfereimuseum“ eingibt. Sie ist werbefrei, verursacht keine weiteren Folgekosten und benötigt nach der Installation keinen weiteren Internetzugang.

Weitere Informationen dazu auch unter www.toepfereimuseum.org , unter http://mguide.institut-für-digitales-lernen.de/ oder auf der Facebookseite des Töpfereimuseums Raeren.

Kategorien:
Innovation · Sonstiges

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Autor(in): Klaus Schäfer
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