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Hoch hinaus: Wenn sie die Ausbildung beendet hat, möchte Anna Lenzen den Meistertitel draufsetzen und den elterlichen Dachdeckerbetrieb übernehmen. Foto: Marlene Paschkewitz
17. August 2015

“Das finde ich in keinem anderen Beruf”

Ihr Weg in das Dachdecker-Handwerk und ein unbeschreibliches Glücksgefühl

Interview mit  Anna Lenzen

Simmerath/Weilerswist. Sie ist lange skeptisch gewesen, ob das denn wirklich etwas für sie ist. Anna Lenzen konnte sich das nicht ernsthaft vorstellen, auf der Baustelle zu arbeiten, als Dachdeckerin. Ihr Plan war ja eigentlich ein ganz anderer und eine handwerkliche Tätigkeit war darin gar nicht vorgesehen. Aber dann kam der erste Arbeitstag. „Danach war ich hellauf begeistert“, sagt Lenzen, 22. Und restlos überzeugt. Auch, weil es nach dem Beginn ihrer Dachdecker-Ausbildung noch keinen Tag gegeben haben, an dem sie mit schlechter Laune nach Hause gekommen ist. Lenzen ist im ersten Lehrjahr, das Handwerk lernt sie im elterlichen Betrieb in Weilerswist und dem BGZ Simmerath, einem Bildungszentrum der Handwerkskammer Aachen. Sie hat jetzt wieder einen Plan. Einen neuen Plan. Lenzen möchte die Lehre beenden, den Meister machen, das Unternehmen ihres Vaters fortführen. Was sie an ihrer Arbeit am meisten fasziniert und ob es schwer ist, in einer Männerdomäne Fuß zu fassen, darüber spricht Lenzen im Interview mit Marlene Paschkewitz.

Nach wie vor sind Frauen in Ihrem Gewerk eher die Ausnahme: Wie kam es, dass Sie sich entschieden haben, Dachdeckerin zu werden?

Lenzen: Ich habe zunächst mal etwas ganz anderes gemacht. Nachdem ich das Fachabitur gemacht hatte, habe ich ein Studium der Medienwirtschaft begonnen, weil ich den Bereich Medien sehr interessant fand und in ihm arbeiten wollte. Während des Studiums habe ich aber gemerkt, dass ich kein Typ fürs Studieren bin. Es ist mir zu theorielastig. Deswegen habe ich eine Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation begonnen und abgeschlossen. Marketing und Unternehmensführung sind mein Ding. Mein Vater führt ein Dachdeckerunternehmen. Mit ihm habe ich über meine Zukunft und meinen Wunsch, mich selbständig zu machen, gesprochen. Ergebnis war: Ich steige in den Betrieb ein und übernehme ihn dann später.

Wie hat Ihr Vater reagiert, als Sie ihm sagten, dass es Ihr Wunsch ist, seinen Betrieb eines Tages weiterzuführen?

Lenzen: Er war absolut begeistert, damit hatte er gar nicht gerechnet. Er fand meine Idee gut, machte aber zur Bedingung, dass ich zunächst mal eine Ausbildung zur Dachdeckerin absolviere.

Wie fanden Sie den Vorschlag?

Lenzen: Darüber musste ich erst einmal nachdenken. Ein Männerberuf?
Ob ich das schaffe? Auch körperlich? Wie ist das auf der Baustelle? Kann ich über Dächer laufen? Traue ich mir das überhaupt zu? Das waren so ungefähr meine Gedanken. Ein Gespräch mit meiner besten Freundin überzeugte mich dann, diese Chance zu ergreifen. Der Entschluss war jedenfalls gut überlegt und dank des Fachabiturs konnte ich die Ausbildung verkürzen.

Und dann kam der erste Arbeitstag…

Lenzen: Und da passierte es: Nach dem ersten Arbeitstag war ich hellauf begeistert! Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Und die Begeisterung ist geblieben. Ich hatte bisher noch keinen Tag, an dem ich mit schlechter Laune nach Hause gekommen bin. Es macht noch immer Spaß, egal welche Aufgaben auf mich zukommen. Allein, dass man den ganzen Tag an der frischen Luft ist, dass man sich körperlich betätigt. Das macht mich glücklich. Und das Fitnessstudio kann man sich auch sparen. Ich weiß gerade gar nicht, wie ich das ausdrücken soll. Der Beruf begeistert mich nach wie vor.

Er ist körperlich anspruchsvoll, manchmal wird einfach Kraft benötigt: Gibt es Situationen, in denen Sie auf die Hilfe von Kollegen angewiesen sind?

Lenzen: Es gibt solche Situationen, am Anfang mehr als jetzt. Aber man merkt auch, wie schnell sich der Körper an die Belastungen gewöhnt. Und was man als Frau wirklich leisten kann. Im Laufe der Zeit lernt man alle Tricks und Kniffe und wird auch stärker. Ich habe ziemlich nette und hilfsbereite Arbeitskollegen, aber mein Ehrgeiz lässt Hilfe in den seltensten Fällen zu. Selbst ist die Frau!

Ist es schwer, in dieser Männerdomäne akzeptiert zu werden?

Lenzen: Es ist nicht schwer. Bei mir im Betrieb werde ich akzeptiert, alle finden es toll. Auch mein privates Umfeld ist begeistert von meiner Entscheidung für den Dachdecker-Beruf. Ich werde dafür respektiert. Bisher habe ich auch noch nie einen blöden Spruch auf der Baustelle gehört. Alle sind freundlich und respektvoll. Das hat mich doch schon überrascht.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?

Lenzen: Die Arbeit ist extrem abwechslungsreich. Ich mache beinahe täglich etwas anderes. Ich muss dazu sagen: Wir haben einen sehr großen Betrieb und dadurch natürlich auch sehr viele verschieden Baustellen. Mit mir ist noch ein Lehrling in der Ausbildung, der ist bereits im zweiten Ausbildungsjahr. Wir werden häufig wechselnd auf den Baustellen eingesetzt. Sehr faszinierend ist auch das Gefühl, auf einem hohen Gebäude zu stehen und hinunter zu schauen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Dadurch, dass wir sehr viele Baustellen in Köln haben ist der Blick auf den Dom das Nonplusultra. Und das finde ich in keinem anderen Beruf. Faszinierend finde ich den Beruf auch, weil ich durch ihn herausgefunden habe, zu was ich eigentlich fähig bin und eine ganz neue Seite an mir entdeckt und kennengelernt habe.

Was machen Sie am liebsten?

Lenzen: Alles hat seine Vor- und Nachteile, aber am liebsten mache ich  Ziegeldächer, weil dort die meisten Arbeitsanforderungen gestellt werden. Aber hier in Simmerath habe ich gemerkt, dass mir auch Schiefern liegt, es mir sehr viel Spaß macht und ich auch auf Baustellen Schieferarbeiten ausführen möchte.

Hand aufs Herz: Gab es bislang Momente, in denen Sie den Entschluss, eine Dachdecker-Lehre zu beginnen, bereut haben?

Lenzen: Nein!

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Ausbildungsbetrieb ausgewählt?

Lenzen: Ich wollte zuerst woanders meine Lehre machen. Aufgrund meiner negativen Erfahrungen in der vorherigen Ausbildung, habe ich mich aber dazu entschlossen, die Ausbildung doch im väterlichen Betrieb zu machen. Einen „Bonusstatus“ habe ich aber dadurch nicht.

Wie gefällt Ihnen die überbetriebliche Ausbildung?

Lenzen: Die überbetriebliche Ausbildung gefällt mir sehr gut. Das habe ich, wenn ich ehrlich bin, nicht erwartet. Ich bin positiv überrascht. Auch dass ich das mit dem Schiefern so gut hin bekomme, denn ich hatte vorher nie Schiefer in der Hand gehabt. Das gute Feedback meines Ausbildungsmeister Michael Paffen und das von meinen Klassenkameraden macht mich schon stolz. Die ÜLU ist insofern sehr wichtig, als dass sich im Betrieb im laufenden Geschäft kaum einer so intensiv um mich kümmern kann.

Wie geht es nach der Ausbildung bei Ihnen weiter?

Lenzen: Direkt im Anschluss an die Ausbildung möchte ich meinen Meister machen, sehr wahrscheinlich im BGZ Simmerath. Später steht dann die Übernahme des elterlichen Betriebes an. Ich könnte mir auch gut vorstellen, als Dozentin, zum Beispiel in einer Meisterschule, tätig zu sein. Und wenn, dann natürlich im BGZ Simmerath.

Sie können den Dachdecker-Beruf also nur empfehlen?

Lenzen: Als Frau sollte man sich nicht davor scheuen, in solch einen Männerberuf einzusteigen, weil es einfach unglaublich viel Spaß macht und das Geschlecht gar keine Rolle spielt.

Kategorien:
Handwerk & Gewerbe

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