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18. Juni 2015

Neueröffnung des Musée rural in Binsfeld/Lux.

Leben auf dem Lande – Neueröffnung des Musée rural in Binsfeld/Lux.

1971 wurde in den drei Dörfern Binsfeld, Holler und Breitfeld im Luxemburger Norden ein Interessenverband gegründet. Er konnte eine umfangreiche Sammlung landwirtschaftlicher Gerätschaften und Haushaltsgegenstände zusammentragen und schließlich das 300 Jahre alte Bauernhaus „a Schiewesch“ erwerben, das seit 1988 als Museum dient. Nach umfangreichen Umbauarbeiten und einer Neukonzeption der Ausstellung wurde das Landmuseum in Binsfeld im Mai 2015 neu eröffnet. Damit hat der Luxemburger Norden eine kulturelle Attraktion von überregionaler Bedeutung gewonnen.

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Das Musée rural möchte die Themen „Arbeiten auf dem Lande“ und eng damit verbunden „Leben auf dem Lande“ darstellen, und zwar in einem Zeitrahmen von 200 Jahren. Es sollte kein Panorama der „guten alten Zeit“ gezeigt werden, sondern das Bild einer agrarischen Gesellschaft, die sich seit dem 19. Jahrhundert langsam und dann nach dem Zweiten Weltkrieg immer rasanter veränderte. Was um 1900 mit dem Kunstdünger und den Genossenschaften begann, endete (vorläufig) bei der europäischen Agrarpolitik, der „Turbokuh“ und der Windenergie. Spätestens nach dem Verlassen des Museums fragt sich der Besucher, wie denn die Dörfer des Öslings in 50 Jahren aussehen werden.

Das Museum befindet sich in einem verwinkelten Bauernhaus mit Keller- und Speicherräumen. Bereits die kleinteilige Architektur mit ihren kleinen Fenstern vermittelt etwas von der Atmosphäre eines alten Bauernhauses. Ein gewisses Kontrastprogramm stellt der großzügig angelegte Eingangsbereich dar, eine „Straße“, die ins Dorf (ein)führt. Hier erhält man erste Informationen zur Region, zu ihrer Geschichte, zur Bevölkerung, zu den Vereinen, zur Kirche und zu den Gaststätten des Ortes. Eine Schmiede und eine Schuhmacherwerkstatt zeigen, dass es auch auf den Dörfern ein reges Handwerk gegeben hat.

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In den einzelnen Räumen des Bauernhauses werden 50 verschiedene Themen dargestellt. Die erste Überraschung ist die Art der Präsentation: Wie bereits in der „Straße“ konzentrierte man sich auf eine kleine Auswahl von Objekten, die durch eindrucksvoll gestaltete farbige Tafeln mit sorgfältig ausgesuchten Bildern und kurzen Texten erläutert und in ihre Zusammenhänge eingeordnet werden. Besonders eindrucksvoll sind auch die großformatigen historischen Schwarz-Weiß-Fotos, die ganze Wandflächen einnehmen. Eine Schulklasse, Waschfrauen, ein Brautpaar, die Inhaberin des Lebensmittelladens, der Schmied und die Gäste einer Wirtschaft aus vergangener Zeit blicken treten hier in Lebensgröße entgegen.

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Eine zweite Überraschung erlebt man, wenn man sich mit den einzelnen Themen näher befasst. Eine Zange zum Einsetzen von Nasenringen bei Stieren illustriert anschaulich die gefährliche Arbeit des Tierarztes, und auf dem Behandlungsstuhl eines Zahnarztes mit fußbetriebenem Bohrer möchte man nicht sitzen. Der Schmied, der eigentlich alles reparieren konnte, war ebenso ein Universalgenie wie der Zimmermann, der die kühne Dachkonstruktion der Scheune errichtete, die noch nach 300 Jahren ihren Dienst erfüllt. Unendlich mühsam und schmutzig war die Flachsgewinnung, und die Imkerei war keineswegs nur ein Hobby: Da Kolonialzucker unbezahlbar und der Rübenzucker noch nicht erfunden war, stellte Honig die einzige Möglichkeit dar, Kuchen und Gebäck zu süßen. Oder wer weiß noch, was eine Zentrifuge ist? Um 1900 entstanden in den Dörfern Molkereigenossenschaften, die Butter von gleichbleibender Qualität in die Städte liefern konnten und den Bauern regelmäßige Einnahmen verschafften. Besonderen Respekt gewinnt man auch vor der Arbeit der Hausfrauen, die beim Kochen, Einkochen, Nähen, Flicken, Stopfen, Sticken und Putzen buchstäblich keine ruhige Minute hatten. Von der Gegenwart, die mit Mikrowelle und Tiefkühlkost thematisiert wird, war sie noch weit entfernt.

Ein Besuch des Musée rural ins Binsfeld lohnt sich also, zumal sich das Leben und Arbeiten auf dem Lande im Ösling kaum von dem in der Eifel unterschied. Ein Museumsbesuch lässt sich mit einer Besichtigung der reizvollen Städte im Luxemburger Norden (Clervaux, Troisvierges, Vianden, Wiltz) oder im benachbarten Belgien (St. Vith) verbinden, aber auch mit einer Wanderung auf einem der gut ausgeschilderten Wege der Gemeinde Weiswampach.

Das Musée rural ist von Ostern bis zum 1. November täglich von 14.00 bis 18.00 Uhr sowie für Gruppen nach Vereinbarung geöffnet. Adresse: L-9946 Binsfeld, 8, Ëlwenterstrooss. Tel. 00352/979820, mail museebinsfeld@pt.lu.

 

Kontakt:

Prof. Dr. Wolfgang Schmid, Univ. Trier

Fotos Verfasser

Kategorien:
Sonstiges · Wirtschaft

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Autor(in): Klaus Schäfer
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