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5. März 2015

Gottlos, schamlos, gewissenlos

„Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ vermittelt christlichen Gegenentwurf zum Hassdiktat der Nazis – Firmlinge aus der Eifel zu Besuch auf der früheren Nazi-Ordensburg Vogelsang – Ein Tag, der Mut macht – Ein Bericht aus der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen

Eifel/Vogelsang – Vor allem Rassenkunde und Sport unterrichteten die Nazis in Vogelsang. Boxen war besonders wichtig. Der Zweikampf diente nicht der Ermittlung des Besseren, sondern als Test auf Rücksichtslosigkeit von „Herrenmenschen“.

Pastoralreferent Georg Toporowsky skizziert das Profil der Nazi-Junker auf der sogenannten „Ordensburg“ Vogelsang in den 30er Jahren. Es trifft seine Zuhörer, 17- und 18jährige junge Christen aus der Eifel, nicht unvorbereitet. Sie besuchen vor ihrer Firmung das Aachener Bistumsprojekt „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“. Machtergreifung, Judenverfolgung, Krieg und Holocaust sind den meisten geläufig. Aber was an Menschenverachtung und Abgebrühtheit steckt dahinter? Wie tränkt man halbwegs christlich geprägte Abendländer mit Hass und Kaltblütigkeit? Was lehrten die Nazis ihren Führungsnachwuchs?

Das Idyll aus der Luft trügt: In der Nazi-Ordensburg Vogelsang wurden Mörder ausgebildet. Foto: Felix Lang/pp/ProfiPress

Das Idyll aus der Luft trügt: In der Nazi-Ordensburg Vogelsang wurden Mörder ausgebildet. Foto: Felix Lang/pp/ProfiPress

Zum Beispiel, dass das Christentum Schuld daran trage, dass die „nordische Rasse“ ihre ursprüngliche Überlegenheit eingebüßt habe. Wegen der „Verhätschelung“ alles Schwachen, Kranken und Behinderten.

„Was denkt Ihr, wenn Ihr die Steinfiguren da seht?“, fragt Toporowsky am Rand von Sportplatz und Schwimmbad. Die Firmlinge sehen auf ein bei der Befreiung von US-Gewehrkugeln perforiertes Steinrelief. Es zeigt Sportler in verschiedenen Posen: „Diese Männer da sehen alle gleich aus. Gleiche Köpfe auf gleichen Körpern, gleiche Gesichter, gleicher Blickwinkel…“

Im Internationalen Rotkreuzmuseum für humanitäres Völkerrecht: Nicht nur das Aachener Bistumsprojekt „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ lehrt auf dem Gelände der früheren Nazi-Ordensburg Toleranz und Humanität. Foto: Paul Düster/pp/ProfiPress

Im Internationalen Rotkreuzmuseum für humanitäres Völkerrecht: Nicht nur das Aachener Bistumsprojekt „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ lehrt auf dem Gelände der früheren Nazi-Ordensburg Toleranz und Humanität. Foto: Paul Düster/pp/ProfiPress

Auch das Bild an der Stirnseite des Hallenbades zeigt scheinbar eineiige Drillinge, die mit entschlossenen Schritten ins Wellenmeer marschieren. Die Firmlinge begreifen: Die Naziburg in der Eifel sollte ihre Schüler gleichmachen – orientiert am fiktiven Bild einer „Herrenrasse“.

„Gottlos, schamlos, gewissenlos“ nannte Sophie Scholl in den Nazi-Ordensburgen geschulte „Jung-Herren“. „Manche, die in Vogelsang ausgebildet wurden, haben im Osten 25.000 Menschen umgebracht“, sagt der Seelsorger. Seine Zuhörer sind betroffen.

Georg Toporowsky, Pastoralreferent und Leiter des Bistumsprojektes „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“. Foto: Manfred Lang/pp/ProfiPress

Georg Toporowsky, Pastoralreferent und Leiter des Bistumsprojektes „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“. Foto: Manfred Lang/pp/ProfiPress

Dem Rassenwahn und Hassdiktat der Nazis stellt „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ das christliche Menschenbild entgegen. Die Firmlinge sollen sensibilisiert werden für ihre eigenen Welt- und Wertvorstellungen. „Was ist anders, wenn Ihr an unsere Fußballnationalmannschaft denkt?“, fragt Toporowsky. Kollektives Lächeln auf jungen Gesichtern…

„So ein kleiner Philipp Lahm neben dem Hünen Manuel Neuer, Schweini und Boateng daneben, Mario Götze, André Schürrle, Mats Hummels, Mesut Özil?“

„Alles unterschiedliche Typen“, gibt Philipp zur Antwort. „Verschiedene Körper, Hautfarben, Herkunftsländer“, ergänzt Niklas. „Aber die sind Weltmeister geworden“, bringt David die Sache auf den Punkt: „Im Team waren sie nicht zu schlagen!“

Eifeler Firmlinge vor Idealtyp „nordische Rasse“: In Vogelsang wurde gelehrt, wer zu den „Herrenmenschen“ und wer zu den „Untermenschen“ zählt. Foto: Manfred Lang/pp/ProfiPress

Eifeler Firmlinge vor Idealtyp „nordische Rasse“: In Vogelsang wurde gelehrt, wer zu den „Herrenmenschen“ und wer zu den „Untermenschen“ zählt. Foto: Manfred Lang/pp/ProfiPress

„War ja doch nicht alles schlecht bei Hitler“, zitiert eine Katechetin den ewig gestrigen Slogan der Unverbesserlichen mit Blick auf die terrassenförmig zum malerischen Urftsee hinab angelegten Kameradschafts- und Hundertschafthäuser. „Wirtschaftlich hat die traditionell bitterarme Eifelregion tatsächlich vom Bau der Ordensburg und des Westwalls profitiert“, betont Georg Toporowsky: „Doch Vorsicht: Hier wurden Mörder ausgebildet!“

Im Ambiente der Ordensburg lehrte man junge Männer, nach Einheitsschablone zu bestimmen, wer zu den „Herrenmenschen“ und wer zu den „Untermenschen“ gehört, wer als „Volksschädling“ umgebracht und wessen „unwertes“ Leben wegen einer Behinderung ausgelöscht wird…

Der christliche Gegenentwurf, den „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ unter dem Slogan „Aufwind spüren“ den Menschen vermittelt, lautet: „Du bist ein wertvoller Mensch“. Das erfahren bei Georg Toporowsky und Kollegen nicht nur Firmgruppen, sondern es gibt viele Angebote und Konstellationen für alle möglichen Zielgruppen.

Die Nationalpark-Seelsorger vermitteln Nähe zur Natur, zu sich selbst, zu Gott. „Kirche soll den Menschen gut tun“, erklärt der Pastoralreferent den Firmlingen. Und bringt die nahende Firmung mit Weihbischof Johannes Bündgens im März ins Gespräch: „In der Chrisam-Salbung teilt Gott Euch mit: »Du bist wichtig«, »Du bist König, so wie Du bist.« Deshalb die Königssalbung.“

Wer noch Zweifel hatte, mit seinen ganz persönlichen Defiziten dennoch perfekt zu sein, den „bekehrte“ am Ende der Kurzfilm „Butterfly Circus“, der seinen Akteuren aus zerrissenen Lebensverhältnissen neue Perspektiven, Freude und Lebensmut vermittelt. Star ist der Australier Nick Vujicic, der ohne Arme und Beine auf die Welt kam.

Im Film wird er in einem Jahrmarkt-Panoptikum des frühen 20. Jahrhunderts zur Schau gestellt. Dann kommt er zum „Butterfly Circus“, lernt laufen, schwimmen und wird schließlich ein gefeierter Artist. Auslöser ist die Ermutigung des Zirkusdirektors, der dem Arm- und Beinlosen versichert: „Du bist wunderbar.“ Ein Firmling mit Sprachfehler bedankt sich in der Schlussrunde: „Der Tag hat mir Mut gemacht.“

Die „Seelsorge im Nationalpark Eifel + Vogelsang“ ist eine Einrichtung der katholischen Gemeinschaft der Gemeinden Hellenthal und Schleiden, inhaltlich und finanziell unterstützt vom Bistum Aachen. Es will die Menschen in geschützten Freiräumen mit sich selbst und Gott in Berührung bringen. Die Teilnehmer sollen „Aufwind spüren“, so der Slogan – und eine Kirche, die ihnen gut tut. Man kann als Einzelperson Angebote buchen, aber auch Gruppenarrangements.

Eine kleine Auswahl:

Offene Führungen finden jeweils ab 14.15 Uhr für zwei Stunden statt an den Sonntagen 29. März, 19. April, 10. Mai, 31. Mai, 28. Juni, 26. Juli, 16. August, 13. September, 4. Oktober und 25. Oktober

Der Schöpfungspfad in Einruhr-Hirschrott lädt zur bewussten Wahrnehmung der Natur ein. Den Höhe- und Schlusspunkt bildet der „Weg zur Mitte“, ein begehbares Labyrinth. Geführte Begehungen für vier bis fünf Stunden, Termine nach Vereinbarung.

Zum Thema „Gottes Schöpfung erleben“ gibt es altersgerechte Zugänge, besonders auch für Schulklassen und (Kommunion-)Kindergruppen.

Dreitägige spirituelle Wanderungen lassen den Alltag bewusst unterbrechen und die Teilnehmer zur Ruhe kommen und unter freiem Himmel mit Leib und Seele in Bewegung geraten. Termine 1. bis 3. April (Karwoche), 19. bis 21. Juni, 2. bis 4. Oktober und 23. bis 25. Oktober.

Im Trubel der Vorweihnachtszeit zur Ruhe kommen, dem Stern folgen, Ausblicke wagen kann man bei einer Wanderung am Nikolaustag, 6. Dezember, ab 11 Uhr für fünf, sechs Stunden.

Es gibt spezielle Angebote für Schützen, zum Thema Wasser, Hildegard von Bingen oder Sport, Orientierungstage für Schüler, Zeltlager für Kinder. Infos und Anmeldung unter Tel. 02444/ 91 57 927, Email gtoporowsky@aol.com oder Internet www.aufwind-spueren.de

pp/Agentur ProfiPress


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Autor(in): Klaus Schäfer
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