Novellierung des NRW-Jagdgesetzes im nördlichen Eifelteil: Podiumsdiskussion nach Protestkundgebung in Mechernich – Über 200 Interessierte saßen im Auditorium – Nicht nur Jäger sind gegen viele Änderungen, den Tierschützern geht das „Ökologische Jagdgesetz“ nicht weit genug – Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick hieß Kontrahenten aller Seiten willkommen – Auch Interessenvertreter, Beobachter und Journalisten aus Westfalen, vom Niederrhein und aus dem rheinland-pfälzischen Eifelteil waren vertreten
Mechernich/Eifel – „Hier waren vernünftige Leute im Ratssaal, die sicher total unterschiedliche Meinungen vertreten, aber sich anscheinend noch gegenseitig zuhören und respektieren können“, resümierte Moderator Manfred Lang nach einer zweistündigen Podiumsdiskussion zur Novellierung des nordrhein-westfälischen Jagdgesetzes im Mechernicher Rathaus.
Die über 200 Zuhörer hatte zunächst Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick begrüßt, dann hatten die Kreisparteivorsitzenden Nathalie Konias (Bündnis 90/Die Grünen) und Markus Ramers (SPD) das Podium vorgestellt. Dabei machte Nathalie Konias gleich am Anfang deutlich, dass es nicht darum gehen solle, sich gegenseitig Meinungen an den Kopf zu werfen, sondern sich zuzuhören und auszutauschen: „Mein Mann ist Jäger, und Sie können sich vorstellen, dass diese Gesetzesnovelle bei uns bis ins Privatleben eine Rolle spielt“.
Auf dem Podium saßen für die Jagd Rudi Mießeler, der Vorsitzende der Kreisjägerschaft, und Georg Kurella, der Vizepräsident des Landesjagdverbandes NRW. Holger Sticht, der NRW-Landesvorsitzende des Bundes Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), vertrat Natur- und Tierschutz, Rolf Heller, Förster und Technischer Betriebsleiter des Blankenheimer Gemeindewaldes, die Forstwirtschaft.
Die Hauptlast der Kritik von Jägern wie Tierschützern hatten die Landtagsabgeordneten Norbert Meesters, der SPD-Sprecher im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, und Norwich Rüße, der Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Naturschutz und Landwirtschaftspolitik, zu tragen. Sie vertraten die Landesregierung, die die Änderung des NRW-Jagdgesetzes im Koalitionsvertrag vereinbart hatte.
Die Kreisjägerschaft hatte bereits anderthalb Stunden vor Beginn der Podiumsdiskusion mit einer Protestkundgebung vor dem Rathaus deutlich gemacht, dass sie die meisten Änderungen im Jagdgesetz ablehnt. Drinnen bei der Diskussion zeigte sich rasch, dass sich Grüne und SPD mit ihren Änderungsvorschlägen zum Jagdgesetz nicht nur den Unmut der Waidleute zugezogen haben, sondern mindestens genau so sehr den der Tier- und Naturschützer, denen die Novellierung nicht weit genug geht.
Die Fragen, die erörtert wurden, waren vielfältig: Warum muss das Jagdgesetz überhaupt novelliert werden? Bedeutet es für die Jäger das Ende der Baujagd, der Fangjagd und der Fallenjagd? Dürfen Waidleute demnächst keine streunenden wildernden Katzen mehr schießen – und Hunde nur unter bestimmten Bedingungen? Wird die Jagdhunde-Ausbildung an lebenden flugunfähigen Enten verboten?
Am heftigsten diskutiert wurde neben der Katzenjagd die Reduzierung der Futtermenge beim so genannten „Kirren“ von einem auf ein halbes Kilo. „Kirrung“ nennt man eine Art Lockfütterung, mit der umherziehende Sauen zum Stoppen gebracht werden, um sie zielgenauer töten zu können. Da Schwarzwild gleichzeitig ein schlimmer Wildschadensverursacher ist, plädierten Bauern wie Jäger gegen Einschränkungen beim Kirren.
In diesem Punkt wie bei der Wiedereinführung der Jagdsteuer ließen MdL Norwich Rüße und MdL Norbert Meesters durchaus Kompromiswilligkeit erkennen. Jäger wie Bauern sind dagegen, weil die Jagdpachteinnahmen sinken, falls der Kreis Euskirchen wieder ein Fünftel der Pacht als Jagdsteuer kassiert. Auch ein besonnener Fachmann wie Rolf Heller, der in einigen Punkten durchaus die Novellierungsabsichten der Landesregierung teilt, plädierte gegen die Wiedereinführung der Jagdsteuer.
Auch was die Anforderungen an die Schießleistung älterer Jäger angeht, ließen sich die beiden Landtagsabgeordneten von der Jägerschaft nachdenklich stimmen. Rudi Mießeler: „Die Kriterien können nur trainierte Sportschützen schaffen.“
Man wird sehen, ob die Mechernicher Veranstaltung noch Einfluß auf die Novelle des NRW-Jagdgesetzes hat. Es wird bald in erster Lesung eingebracht, ist also keineswegs in allen Punkten bereits beschlossene Sache.
Bündnis 90/Die Grünen und Kreis-SPD hatten mit der Mechernicher Veranstaltung die Absicht verfolgt, dass alle Seiten bei einem offenen Austausch noch Kompromisse finden können. Sie waren die ersten, wenn auch nicht die einzigen örtlichen Parteien im Lande NRW, die ein solches Podium organisiert haben.
Der Landesjagdverband hatte bereits im Vorfeld sechs Veranstaltungen auf die Beine gestellt, die angesichts des hohen Mobiliserungsgrades, der sich auch in Mechernich wiederholte, hervorragend besucht waren. Allerdings, so die Kritik der beiden Kreisparteivorsitzenden Nathalie Konias und Markus Ramers, hatte es dort wegen Unmutsdemonstrationen kaum zu einem Meinungsaustausch kommen können.
Bei einer Publikumsfragerunde über fast 45 Minuten konnten auch die über 200 Menschen im Auditorium Fragen stellen und Statements abgeben. Dabei spielten Katzenjagd und Kirrung zentrale Rollen. Aber auch ethische Fragen, Jagdeffizienz zum Schutz der Landwirtschaft, die Sorgen von Tierheimen, Schäfern und Waldbauern wurden thematisiert.
Keine Rolle spielten in der Mechernicher Podiumsdiskussion Novellierungspunkte wie die Trennung von Jagd- und Fütterungszeiten, das Aussetzen beziehungsweise die Wiederansiedlung von Wild und das Jagdverbot in besonders schutzwürdigen Zonen.
Die Novelle soll unter dem Namen Ökologisches Jagdgesetz (ÖJG) den Wertewandel in der bundesdeutschen Gesellschaft wiederspiegeln, der 2002 zur Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz geführt hat. Im Koalitionsvertrag zwischen NRW-SPD und Bündnis 90/Die Grünen NRW wurde aufgenommen, das Jagdrecht künftig nach ökologischen und Tierschutzkriterien auszurichten und den Wald vor zu hohen Wildbeständen zu schützen.
pp/Agentur ProfiPress