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25. Januar 2017

Storytelling ist das Werkzeug der Kommunikatoren geworden

David Bosshart: Gefühle – die Massenverführungswaffe

Das Faktische sei entmachtet worden, sagt GDI-CEO David Bosshart in der «Outlook 2017» und in seiner neuen Publikation «Polarization Shocks». Je abstrakter und komplexer die Welt werde, desto wichtiger die Rolle der Gefühle. Wer mit ihnen spielen könne, gebiete über die wohl mächtigste Verführungswaffe unserer Zeit.

Überall um uns herum sehen wir eine tiefe Sehnsucht nach dem Konkreten, nach etwas, woran wir uns festhalten, an das wir glauben können. Fakten alleine sind machtlos. Abstrakte Statistiken werden nicht überzeugen, wenn die Daten nicht zu den persönlichen Erfahrungen passen. Meine Wahrheit und mein Gefühl sind stärker als die Fakten. Heute traut sich jeder, der Welt seine persönlichen Gefühle mitzuteilen. Authentizität ist von entscheidender Bedeutung, und mit ihr kann man Menschen gewinnen. Wenn eine Person auf der Bühne als authentisch wahrgenommen wird, wird sie das Publikum von dem Gesagten überzeugen, und ihre Qualifikation als Sprecher wird nicht in Frage gestellt.

Joseph Stalin hatte auf verblüffende Weise recht, als er bemerkte: «Der Tod eines Einzelnen ist eine Tragödie, der Tod von Millionen ist eine Statistik.» In einer abstrakten und komplexen Welt nehmen Gefühle eine neue Rolle ein. Wo starke Gefühle ins Spiel kommen, sind statistische Fakten machtlos. «Can’t beat the feeling» war einer der prominentesten Coke-Werbeslogans. Wenn die Kommunikation von Peer zu Peer geht (P2P), und das in Echtzeit, wird die Fähigkeit, authentische Gefühle zu teilen, die wohl mächtigste Massenverführungswaffe.

Storytelling ist das Werkzeug der Kommunikatoren geworden, ob sie Unternehmer sind oder Politiker, Werber oder Lehrer. Beeindruckender als Fakten ist, was Daten und Fakten nicht vermitteln können. Leadership bedeutet also, sich mit dem realen Leben der Menschen und ihren Gefühlen zu verbinden. Die Menschen wollen Geschichten, die sie verstehen, die ihr Herz und ihr Hirn berühren (in dieser Reihenfolge).

Der GDI Thought Leaders Index zeigt Jahr für Jahr deutlich, dass jene Leader, die bessere Geschichten erzählen können, glaubwürdiger sind, mehr gehört und mehr geschätzt werden. Es ist kein Zufall, dass die meisten Ökonomen, die mit abstrakten Statistiken und mathematischen Modellen arbeiten, es schwer haben, die Herzen der Menschen zu gewinnen. Entsprechend stehen nicht viele von ihnen auf Spitzenplätzen in der Thought-Leader-Liste. Künstler und Schriftsteller sind durch ihre Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, ob in Bildern oder in Worten, weit voraus.

Der grosse schottische Philosoph David Hume schrieb in seinem 1748 erschienenen WerkUntersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes, dass «Vernunft selbst nichts als eine allgemeine und ruhige Leidenschaft ist, die eine umfassende und distanzierte Sicht auf ihren Gegenstand einnimmt.» Die Vernunft folgt den Gefühlen, nicht umgekehrt. Ron Burt, Autor vonStructural Holes, schrieb: «Was Sie nicht in der Wirklichkeit managen können, müssen Sie emotional – oder sozial – managen.»

Jede Konversation über Fakten und Gefühle wäre unvollständig ohne einen Blick auf den Glauben. Die Stabilität der Welt ist heute von Fundamentalisten und radikalen Extremisten untergraben, die gleich beide Begriffe, Gefühle und Fakten, aus dem Fenster werfen. Diese Formen der Bedrohung nehmen zu, und sie erhöhen die Instabilitäten auf der ganzen Welt. Wie Robert D. Kaplan schrieb: «Je schlimmer das Chaos, desto extremer ist die Ideologie, die daraus entsteht.»

Die Bedeutung der spirituellen Führer in der westlichen Hemisphäre wird deutlich durch die Ergebnisse des GDI Thought Leaders Index illustriert. Es zeigt sich darin der Einfluss einer Reihe von religiösen Führern, von Papst Franziskus über den Dalai Lama bis zu den Schweizer Theologen Hans Küng und Tariq Ramadan.

Es wird nun darum gehen, eine neue Balance zu finden, wie passionierte Gläubige mit dem Rest der Welt koexistieren können, in dem es unterschiedliche Glaubenssysteme gibt. Die globalen, herrschenden Eliten müssen dauerhaft tragfähige Strategien finden, um die Glaubens-Verwerfungen zu schlichten. Daraus können Wege entstehen, die Hoffnung und die Vision eines besseren Lebens für alle erreichen.

David Bosshart ist CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft. Der promovierte Philosoph ist Autor zahlreicher internationaler Publikationen und weltweit tätiger Referent. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Zukunft des Konsums, der gesellschaftliche Wandel, Digitalisierung (Mensch – Maschine), Management und Kultur, Globalisierung und politische Philosophie. Sein neues Buch «Polarization Shocks» erscheint am 16. Januar 2017.

Kategorien:
Marke EIFEL · Tourismusregion · Wirtschaft

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Autor(in): Klaus Schäfer
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