WIR. LEBEN. EIFEL.
WIR. LEBEN. EIFEL.
Menu
12. August 2016

Zum letzten Mal das „Lindenwetter“

Der Meteorologe Karl Josef Linden von Radio Euskirchen geht in Radiopension – Seit 2002 versorgt er die Bürger im Kreis Euskirchen täglich mit dem Wetterbericht – Wetterhistorie in 125 Aktenordnern

Euskirchen-Euenheim – An diesem Freitag endet bei Radio Euskirchen eine Ära. Um 9.15 Uhr wird zum letzten Mal das „Lindenwetter“ über den Äther gehen. Der Wetterexperte Karl Josef Linden aus Sinzenich hört auf. „Er hat uns vor zwei Wochen mitgeteilt, dass er nun auch in Radio-Pension gehen will“, sagte Norbert Jeub, Chefredakteur von Radio Euskirchen, bei der Verabschiedung des 63-Jährigen und ergänzte: „Es verlässt uns nicht nur ein Dienstleister, sondern eine Institution.“

Ende Januar 2002 wurde der Erdkunde- und Sportlehrer, der seit Sommer 2015 im Ruhestand ist, zur regelmäßigen Wetterstimme des Euenheimer Senders. „Das war zu Zeiten der großen Unwetterkatastrophe an der Elbe“, erinnert sich Jeub. Damals sei ein Reporter oft noch in die Marienschule gefahren, um Linden in der Pause ein Mikrofon unter die Nase zu halten und den Wetterbericht aufzuzeichnen. „Oder ich bin auf dem Weg in die Marienschule direkt im Sender reingesprungen“, erinnert sich Linden. Später ließ die Technik es zu, dass Linden den Beitrag zu Hause aufnahm und als MP3-Datei an Radio Euskirchen mailte – und zwar morgens zwischen 5.45 und 6.30 Uhr.

Norbert Jeub (r.), Chefredakteur von Radio Euskirchen, überreicht Karl Josef Linden zum Abschied einen Korb mit Eifeler Spezialitäten. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Norbert Jeub (r.), Chefredakteur von Radio Euskirchen, überreicht Karl Josef Linden zum Abschied einen Korb mit Eifeler Spezialitäten. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Durchs Studium ist der Sohn des ehemaligen Euskirchener Landrats Josef Linden „zum Wetter“ gekommen – 1972 war das, in einem Praktikum in Weeze. 1977 richtete er sich dann seine erste Wetterstation in Sinzenich ein. „Der Regenmesser wurde im Atomreaktor in Jülich gefertigt und hatte eine Lichtschranke, mit der ich die Größe der Regentropfen messen konnte“, erinnert sich Linden. Und er fing nicht nur Regen auf. „Auch mein Sohn fand ihn interessant. Er hat Pipi reingemacht – und ich hatte mich gewundert, warum der Regen so eine komische Farbe hat“, erzählt Linden.

Ende der 80er-Jahre kaufte sich Linden einen Commodore Amiga und war begeistert von den technischen Möglichkeiten, die ihm die Arbeit und Dokumentation so viel einfacher machten. 1999 entdecke Jörg Kachelmann die ungewöhnliche Wettersituation in der Eifel und errichtete eine große Wetterstation, auf die Linden auch Zugriff hatte.

Am Freitag wird Wetterexperte Karl Josef Linden zum letzten Mal das „Lindenwetter“ präsentieren. Hier steht er ausnahmsweise mit Moderatorin Corinna Lawlor im Studio. Normalerweise kommt sein Wetterbericht per E-Mail. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Am Freitag wird Wetterexperte Karl Josef Linden zum letzten Mal das „Lindenwetter“ präsentieren. Hier steht er ausnahmsweise mit Moderatorin Corinna Lawlor im Studio. Normalerweise kommt sein Wetterbericht per E-Mail. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

An Anekdoten mangelt es dem Pensionär nicht. So berichtete er von einem Sprung in Unterhose in die Oleftalsperre, weil die dortige Wetterstation überflutet war und er noch Messgegenstände retten wollte. Oder wie er bei der Arbeit für einen Winzer mitten in eine Wildschweintreibjagd auf einem Weinberg bei Eicks geriet. „Mein größter Fauxpas war aber, dass ich einmal verschlafen habe und erst von meiner Frau geweckt wurde, als der Rundfunksender BRF1 anrief, um von mir live das allmorgendliche Ostbelgienwetter zu erfragen“, erzählte Linden. Mit einem Song Bedenkzeit und einem leicht abgewandelten Wetterbericht von Radio Euskirchen hat er das dann notdürftig hinbekommen.

Doch nicht alles, was Linden in seiner langjährigen Zeit als Meteorologe widerfahren ist, ist angenehm. Auch die Polizei vertraut auf seine Dienste. Bei Mordfällen etwa wollen Sie von ihm wissen, welches Wetter zu welcher Zeit am Tatort herrschte. „Das geht schon unter die Haut“, berichtet der 63-Jährige.

2015 ging der Erdkunde- und Sportlehrer der Marienschule in Pension, jetzt hört er auch mit dem „Lindenwetter“ bei Radio Euskirchen auf. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

2015 ging der Erdkunde- und Sportlehrer der Marienschule in Pension, jetzt hört er auch mit dem „Lindenwetter“ bei Radio Euskirchen auf. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Auch für die Bürger ist Karl Josef Linden ein besonderer Ansprechpartner. „Jedes Jahr erreichen mich etwa 500 Anrufe. Menschen wollen wissen, wie das Wetter an bestimmten Tagen wird, weil sie Hochzeit feiern, die Heuernte einholen oder in Urlaub fahren wollen“, erzählt der Wetterexperte.

Wenn Karl Josef Linden aufzählt, für wen er alles tätig ist, wird klar: Hier hat jemand nicht nur ein bloßes Hobby, sondern seine Berufung gefunden, die ihm nur wenig Freizeit ließ. Linden ist Gutachter, Berater für Versicherungen, wetterabhängige Firmen und Landwirte, liefert dem Kreis Euskirchen und dem Bergbauamt in Aachen Daten – und er versorgt viele Institutionen, von Tageszeitungen über den Nationalpark sowie Orts-Chroniken mit teils historischen Berichten über das Wetter. „Ich habe 125 Aktenordner voll mit historischen Aufzeichnungen, quasi mit allem was ab 70 nach Christus passiert ist“, erzählt Linden. Ab dem Jahr 1000 etwa wurden die Wetterdaten genauer dokumentiert, Landwirte fingen etwa 1550 damit an, die Daten zu sammeln, etwa die Senfbauern in Monschau. Und seit 1895 gibt es eine Wettermessung in Euskirchen.

Dieses Foto aus dem Jahr 1982 zeigt Karl Josef Linden an seiner Wetterstation im heimischen Sinzenich. Die Station hatte er fünf Jahre zuvor in Betrieb genommen. Repro: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Dieses Foto aus dem Jahr 1982 zeigt Karl Josef Linden an seiner Wetterstation im heimischen Sinzenich. Die Station hatte er fünf Jahre zuvor in Betrieb genommen. Repro: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Diese historische Expertise ist es, die Norbert Jeub ganz besonders vermissen wird: „Es wird bei uns natürlich weiter Wetter geben. Aber der historische Vergleich fällt weg.“ Weil Karl Josef Linden eben nicht nur einen Wetterbericht geliefert hat, sondern diesen auch mit dem Leben der Menschen verknüpft hat, kommt Jeub zu dem Schluss: „Er fehlt uns nicht nur als kompetenter Wetterexperte, sondern auch, weil er eben Karl Josef Linden ist. Er ist nicht zu ersetzen.“

Der zukünftige Radiopensionär freut sich nun über mehr Zeit mit seinen beiden Enkeln (zwei und drei Jahre), zu denen er eine sehr intensive Beziehung hat. Außerdem will er mit seiner Frau in Zukunft mehr reisen und vermehrt Bücher lesen. Und ganz wird er das „wettern“ auch nicht sein lassen. Er wird nach wie vor unter anderem für den Nationalpark Eifel die Jahresberichte erstellen. Denn so ganz ohne „Lindenwetter“ geht es dann auch nicht.

Der Wetterexperte von Radio Euskirchen, Karl Josef Linden, geht in Radiopension. Seit 2002 präsentiert er den Hörern das „Lindenwetter“. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

Der Wetterexperte von Radio Euskirchen, Karl Josef Linden, geht in Radiopension. Seit 2002 präsentiert er den Hörern das „Lindenwetter“. Foto: Thomas Schmitz/pp/Agentur ProfiPress

pp/Agentur ProfiPress

Kategorien:
Daseinsvorsorge · Kultur · Tourismusregion

Als PDF speichern
Print Friendly, PDF & Email
Seite Teilen Über:


Autor(in): Klaus Schäfer
Kommentare einblenden Kommentare ausblenden

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Weitere Beiträge