Lit.Eifel-Lesung über Dada-Künstlerin Angelika Hoerle – Eifeler Autorin Ute Bales stellte neuestes Buch „Die Welt zerschlagen“ vor – Werkstattgespräch mit Schleidener Künstlerin Maf Räderscheidt
Nettersheim – 80 Minuten, die wie im Flug vergingen: So abwechslungsreich und mitreißend die Lesung von Ute Bales im Naturzentrum Nettersheim war, so intensiv aber auch tragisch war das Leben der Dada-Künstlerin Angelika Hoerle, der Bales ihr neuestes Buch gewidmet hat. Die 1899 in Köln geborene Künstlerin war mit nur 23 Jahren an einer Tuberkuloseerkrankung verstorben. Angelika Hoerle, Ehefrau des heute ungleich bekannteren Malers Heinrich Hoerle, war nun eine bemerkenswerte Lit.Eifel-Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Nettersheim gewidmet.
Die aus Borler in der Vulkaneifel stammende Autorin Ute Bales, beschäftigt sich in ihrem jüngsten Buch „Die Welt zerschlagen“ mit dem Leben von Angelika Hoerle. In Archiven und Bibliotheken hat sie recherchiert und eine Ehrenrettung der heute weitgehend vergessenen Künstlerin versucht. Mit dem Dadaismus, einer künstlerischen und literarischen Bewegung, die 1916 in Zürich gegründet und dann in Köln weitergeführt wurde, verbindet man heute Namen wie Max Ernst, Franz Wilhelm Seiwert oder Hugo Ball. Doch Angelika Hoerle?
1899 geboren, wuchs sie in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Ihr Vater war Schreiner, Angelika hatte noch drei Geschwister. Die Entscheidung der Tochter, eine Hutmacherlehre zu absolvieren, akzeptierte der Vater nicht. Für ihre autodidaktischen Bemühungen, sich das Malen und Zeichnen beizubringen, hatte das Elternhaus ebenfalls kein Verständnis.
Die Heirat mit dem Dada-Künstler Heinrich Hoerle war ein weiterer Schritt in der Trennung vom Elternhaus. Es war zugleich auch Angelika Hoerles Entscheidung für ein Leben als nonkonformistische Avantgardekünstlerin und Mitglied der Kölner Dada-Gruppe „stupid“, ab 1920 in der Simonskaller Künstlerkolonie „Kalltalgemeinschaft“.
Die Lesung in Nettersheim wurde zu einer packenden Zeitreise zurück in die Kaiserzeit, den Ersten Weltkrieg, das Elend der Nachkriegszeit und die beginnenden revolutionären Unruhen in Deutschland ab 1918 bis zur Gründung der Weimarer Republik.
Ute Bales kann farbig, detailreich und lebendig erzählen. Das gilt vor allem für die Schilderungen des Lebenswegs der Künstlerin Angelika Hoerle in diesen wilden, unruhigen Jahren. Gleich zu Beginn des Buchs etwa wird die junge Künstlerin, von der ausbrechenden Tuberkuloseerkrankung schon gezeichnet, von ihrem Bruder Willy in ein Kölner Krankenhaus geschleppt. „40 Kilo schwer“ ist die Schwester noch, die am Arm des Bruders das Krankenhaus erreicht, wo sie am 9. September 1923 stirbt. Ihr Sterben schildert Ute Bales als halluzinierten Todesflug eines Insekts am Licht.
Das, was Angelika Hoerle in ihrem kurzen Künstler- und Emanzipationsleben erlebte, beschreibt Ute Bales in ihrem Buch voller Empathie. Zum Beispiel, wie sich Angelika Hoerle mit ihrer Kunst als Frau gegen die Männer der Kölner Künstlergruppe durchsetzen musste. „Es waren Kämpfe“, erinnerte sich auch die Schleidener Künstlerin Maf Räderscheidt im anschließenden Werkstattgespräch mit Moderator Stephan Everling. Maf Räderscheidts Großmutter war Marta Hegemann, eine enge Freundin von Angelika Hoerle und verheiratet mit dem Dada-Künstler Anton Räderscheidt.
Vier Linolschnitte Angelika Hoerles hingen während der Lit.Eifel-Veranstaltung an Stellwänden hinter den Lesesesseln. So wurden die Dada-Kunst und vor allem Angelika Hoerle 100 Jahre nach der Entstehung der Dadaismus-Bewegung bei der Lesung in Nettersheim wieder lebendig. Während in diesem Jahr viele Museen das 100. Geburtstagsjahr der Dada-Bewegung zum Anlass für eine entsprechende Ausstellung nehmen, würdigte das Museum Ludwig in Köln schon im Jahr 2009 die Künstlerin Angelika Hoerle mit einer Ausstellung. Ihr Titel: „Komet der Avantgarde“.
pp/Agentur ProfiPress