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21. Januar 2015

Aufbruch in die neue Welt

Spannender Artikel aus dem „Trierischen Volksfreund“ zu Auswanderern aus der Eifel – Zwischen 1834 und 1911 verlassen nahezu 5000 Menschen die Eifel, um in Amerika ihr Glück zu suchen

Von Denise Korden

Nürburg – Alles schwankt, schaukelt, das Schiff ist mit Körpern vollgestopft. Menschen übergeben sich. Es stinkt. Was klingt wie eine Beschreibung der Hölle, war Alltag auf Auswandererschiffen. Zu Hunderten eingepfercht auf Zwischendecks, verbrachten die Menschen, die in der Ferne ihr Glück suchen wollten, die Wochen bis zur Ankunft in der Fremde. Der Verein für Heimatpflege Adenau hat die Geschichte der Auswanderer im vergangenen Jahr in einer Ausstellung aufgearbeitet. Zwischen 1834 und 1911 verließen fast 5000 Menschen ihre Heimat, um in Amerika ein neues Leben zu suchen

Alles verdarb und verkam

„Bis in den Juni hinein lag teils der Schnee, Anfang November fiel schon wieder Schnee, nichts wurde reif, alles verdarb und verkam. Die Kartoffeln erfroren und lagen unter dem Schnee begraben. Man kochte Schnecken, um etwas Kräftigendes zu genießen.“ So schildert Hans-Peter Pracht in seinem Buch „Abschied von der Heimat“ die Zustände in der Eifel 1816.

Neben der Witterung gab es einen weiteren Grund, warum Hunger die Menschen aus der Eifel trieb: das Vererbungssystem. In der Realteilung wurden nicht einzelne Felder vererbt. Jeder Erbe erhielt ein Stück von jedem Feld. So blieben oft nur bettlakengroße Stücke übrig, die nicht ausreichten, um eine Familie zu ernähren.

Einer unter vielen: Johannes Schlick (sitzend) gehörte zu den vielen Menschen, die im 19. Jahrhundert nach Amerika auswanderten. Er emigrierte von Adenau nach Minnesota. Dort traf er Veronica Ley, eine junge Frau aus Mayschoß. Sie ließen sich in St. Martin nieder und bekamen sieben Kinder. Zwei starben allerdings im Kleinkindalter. Foto: Archiv Manfred Korden

Einer unter vielen: Johannes Schlick (sitzend) gehörte zu den vielen Menschen, die im 19. Jahrhundert nach Amerika auswanderten. Er emigrierte von Adenau nach Minnesota. Dort traf er Veronica Ley, eine junge Frau aus Mayschoß. Sie ließen sich in St. Martin nieder und bekamen sieben Kinder. Zwei starben allerdings im Kleinkindalter. Foto: Archiv Manfred Korden

Doch auch das Auswandern selbst war mit vielen Hürden verbunden: Man verlor die preußische Staatsbürgerschaft, musste sein ganzes Hab und Gut verkaufen (meist wurde es öffentlich versteigert) und die Einnahmen versteuern. Außerdem musste man beweisen können, dass alle männlichen Auswanderer bereits ihren Militärdienst abgeleistet hatten.

Um diese harten Auflagen nicht erfüllen zu müssen, wurden viele Menschen kreativ. Eine Familie ließ sich sogar mit Minengestein verladen, um die staatlichen Kontrollen zu umgehen. Meistens ging man aber zu einer Auswanderungsagentur. Diese wurde vom preußischen Staat kontrolliert, und man konnte so relativ sicher sein, nicht betrogen zu werden.

Diese Agenturen waren notwendig geworden, nachdem Werber immer häufiger und skrupelloser geworden waren. Das waren von Siedlungsgesellschaften beauftragte Personen, die versuchten, möglichst viele Auswanderungswillige anzuwerben. Häufig endete das in einer Katastrophe für die beteiligten Auswanderer.

In ihrer Chronik „Land um Nürburg und Hohe Acht“ widmet sich der Heimatverein Herschbroich diesem Problem: Häufig mussten die Auswanderer bei den Werbern die volle Überfahrt bezahlen, nur um festzustellen, dass die Verträge von den Schifffahrtsgesellschaften nicht akzeptiert wurden. Wer sich kein neues Ticket leisten konnte, musste umkehren.

Allerdings gab es in der Heimat oft nichts mehr, zu dem man zurückkommen konnte, da das ganze Vermögen für die Überfahrt draufgegangen war. Erst 1853 wurden staatlich reglementierte Agenturen gegründet, die Auswanderungsverträge abschließen konnten.

Enorme Strapazen

Die Überfahrt selbst war eine einzige Strapaze. Viele wurden seekrank, schlecht verpflegt und lebten oft unter abstoßenden hygienischen Bedingungen. Einige der Auswanderer überlebten bereits die Reise nicht. Trotzdem zog es die Eifeler zu Scharen in die neue Welt.

1842 gab es an der Oberahr keine Gemeinde ohne Auswanderer, wie in der Ausstellung zu lesen ist. Die Mutigen, die es wagten, alles hinter sich zu lassen, wurden belohnt. Niko Strack, Auswanderer aus Herschbroich, erwähnt in einem Brief an seine Onkel und Tanten, dass ihm neben viel günstigem Land auch ein Ochsengespann geschenkt wurde. Auch in anderen Briefen ist von weitem Land und guten Ernten zu lesen.

Artikel erschienen im Trierischen Volksfreund in der Ausgabe von Donnerstag, 15. Januar 2015

Kategorien:
Demographie · Sonstiges · Wirtschaft

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Autor(in): Klaus Schäfer
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