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15. Mai 2014

Handwerk fordert politischen Rückhalt

Frühjahrs-Vollversammlung der Handwerkskammer Aachen – Präsident Dieter Philipp: „Alle müssen an einem Strang ziehen“ – Gastvortrag von Professor Frank Thomas Piller von der RWTH Aachen

Eifel/ Aachen – Handwerk ist modern. Handwerk ist fortschrittlich. Und: Das Handwerk ist gut aufgestellt für die Zukunft. Das hat der Präsident der Handwerkskammer Aachen, Dieter Philipp, bei der Frühjahrs-Vollversammlung im Aachener Rathaus betont. Elf Tage vor den wichtigen Kommunal- und Europawahlen appellierte Philipp an alle Wahlberechtigten, ihre Stimme abzugeben und somit mitzubestimmen, wer dem­nächst die politischen Weichen stellt.

Das regionale Handwerk befindet sich derzeit im Höhenflug. Das zeigen die Ergeb­nisse der jüngsten Konjunkturumfrage, bei der 87 Prozent von guten beziehungs­weise befriedigenden Geschäften berichteten. Der milde Winter hat vor allem den Bau- und Ausbauunternehmen in die Karten gespielt.

Wirtschaftlicher Erfolg ist jedoch von den Rahmenbedingungen abhängig. Deshalb sind die anstehenden Wahlen wichtig. Städte und Gemeinden brauchen ein starkes Handwerk. Und das Handwerk braucht starke Kommunen. Aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit ergebe sich, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen müssten, so Philipp. Priorität hätten dabei angemessene Steuersätze und Gebühren sowie Standortbedingungen mit guter Infrastruktur beziehungsweise die Bereitstellung von attraktiven bezahlbaren Gewerbeflächen.

Darüber hinaus biete die Energiewende herausragende Möglichkeiten. Bei der Verwirklichung von kommunalen Klimaschutzzielen sei das Handwerk ein verläss­licher Partner, sagte der Kammerpräsident. An Bund und Länder richtete er den Appell, bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung eine Einigung zu erzielen. Die Kommunen forderte Philipp auf, bei ihren eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten darauf zu achten, dass sie nicht in Konkurrenz zu Privatunternehmen erfolgten.

Auch vom Land Nordrhein-Westfalen erwartet das regionale Handwerk eindeutige Unterstützung. Das Land müsse dafür sorgen, dass die Kommunen finanziell gut ausgestattet seien und dass die Unternehmen Zugang zu Fördergeldern erhielten, die Gründungen und Wachstum ermöglichen.

Chancen nutzen in Europa

Mit seinen veröffentlichten Wahlprüfsteinen hat das Handwerk gezeigt, was zügig in Europa umgesetzt werden muss. Natürlich wünschen sich die Betriebe weniger Bürokratie, leichtere Zugänge auf neue Märkte und Erleichterungen für wirtschaftliche Tätigkeiten im Ausland.

Darüber hinaus gilt das klare „Ja“ zum Meisterbrief, das innerhalb der Europäischen Kommission kontrovers diskutiert wurde. Die Meisterqualifikation ist ein Qualitäts­siegel, eine Unternehmerqualifikation, die ihresgleichen sucht, so Philipp. Aber auch als Voraussetzung für die Gründung und Führung eines Handwerksbetriebs sei die Meisterprüfung unverzichtbar, wenn Qualität und Ausbildung erhalten werden sollen.

Schulterschluss zwischen Handwerk und Wissenschaft bei der Frühjahrsvollversammlung der Handwerkskammer für die Region Aachen (v. r): Dieter Philipp, Präsident der Handwerkskammer Aachen, Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Gastredner Professor Frank Thomas Piller, Handwerkskammer-Hauptgeschäftsführer Peter Deckers und RWTH-Rektor Professor Ernst Schmachtenberg. Foto: HWKAachen/pp/Agentur ProfiPress

Schulterschluss zwischen Handwerk und Wissenschaft bei der Frühjahrsvollversammlung der Handwerkskammer für die Region Aachen (v. r): Dieter Philipp, Präsident der Handwerkskammer Aachen, Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Gastredner Professor Frank Thomas Piller, Handwerkskammer-Hauptgeschäftsführer Peter Deckers und RWTH-Rektor Professor Ernst Schmachtenberg. Foto: HWKAachen/pp/Agentur ProfiPress

 

Philipp brachte seine Freude zum Ausdruck, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Meisterbrief als Berufszugangsvoraussetzung stärke. Der Meisterbrief stehe für Qualität in Können und Unternehmensführung, und er stehe als Pate für verant­wortungsvolle und fachgerechte Ausbildung von Nachwuchskräften und geringe Jugendarbeitslosigkeit. Das alles müsse verteidigt werden und deshalb sei es gut, dass das Handwerk eine neue Aufkleber-Aktion gestartet habe, die den Daumen hoch zeigt für den Meisterbrief.

An die Europaabgeordneten aus der Region appellierte Philipp, auf internationaler Ebene die Interessen des Handwerks und des gesamten Mittelstands zu vertreten. Beim geplanten Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP müsse mehr Transpa­renz verlangt und nicht den Lobby-Vertretern der Industrie das Spiel überlassen werden. Die nationalen und das EU-Parlament seien hier zur Kontrolle aufgerufen, damit es unter dem Deckmantel der Liberalisierung nicht zum Abbau bewährter Standards komme, die das Handwerk für unverzichtbar hält. Auch Umwelt- und Gesundheits­standards müssten beachtet werden.

Mindestlohn mit Augenmaß

Auf bundespolitischer Ebene ist in den vergangenen Monaten viel passiert. Die Große Koalition in Berlin hat sich gefunden, einige Gesetze sind auf dem Weg. Bei den Rentenplänen bleibt das Handwerk aber skeptisch. Denn Betriebe, die auf Mitarbeiter jetzt bereits ab dem 63. Lebensjahr verzichten müssen, sind möglicherweise bald schon aufgeschmissen, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. „Hier brauchen wir Lösungen mit Augenmaß“, sagte Philipp.

Der Mindestlohn dürfe Tarifverträge und Tariftreue nicht aushebeln. In vielen Branchen werde Arbeit bereits gut bezahlt, aber das Handwerk müsse aufpassen, dass auskömmliche Bezahlung nicht zum schlagkräftigen Argument gegen eine berufliche Ausbildung werde. Da die Steuereinnahmen sprudeln und die Bundeskasse prall gefüllt sei, sei eine Eindämmung der kalten Progression denkbar, so Philipp.

Auf der Suche nach Nachwuchs- und Fachkräften müssen Organisation und Unternehmen im Handwerk ihre Kräfte bündeln, forderte Philipp. Dazu gehöre das Anbieten von Plätzen zur Berufsfelderkundung und für Praktikanten. Nur so könne Handwerk für sich und seine spannenden Berufe werben.

Darüber hinaus sei es wichtig, dass Betriebe im Kammerbezirk Anreize böten und sich als attraktiver Arbeitgeber positionierten. Dazu gehöre ein gutes Betriebsklima und beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Außerdem erhalte Betrieb­liches Gesundheitsmanagement zurecht eine immer größere Bedeutung. Jeder Euro, der in diesem Bereich investiert werde, lohne sich.

In einem interessanten Gastvortrag stellte Professor Frank Thomas Piller von der RWTH Aachen neue Trends im Innovationsmanagement vor und erläuterte deren Bedeutung für das Handwerk. Erneuerung, Fortschritt, Weiterbildung – alles das sind wichtige Aufgabenfelder für ein Handwerk, das weiterhin modern bleiben will.

Innovation sei in der Natur vieler Menschen verankert, machte Professor Piller seinen Zuhörern Mut. Wichtig sei, nicht immer nur auf die eigenen Erfahrungen zu bauen, sondern auch spielerisch neue Ideen aufzugreifen und auch einmal „herum­zuspinnen“. Ohne Freaks gibt es auch keine verrückten Erfindungen, und Regeln für Innovation gibt es laut Professor Piller ohnehin nicht. Bei der Entwicklung von Innovationen müsse häufig eine Mauer durchbrochen werden, manchmal gehe es aber auch ganz einfach.

Einen bedeutenden Vorteil hat derjenige, der Schnittstellen erkennt, der sieht, wo sich bewährte Abläufe und Produkte intelligent kopieren lassen, so Piller. Wo lässt sich etwas kopieren, wo Neues akquirieren – diesen Fragen sollten Handwerker nach­gehen. Zum Aufspüren neuer Möglichkeiten eigneten sich beispielsweise auch Ideenwett­bewerbe, bei denen Kunden, Verbraucher, Geschäftspartner Vorschläge oder Anmerkungen machen könnten, die letztlich zu einem neuen Erzeugnis oder einer neuen Dienstleistung führen können. Gewerbetreibende sollten verstärkt auch ältere Zielgruppen im Blick haben, die gute Rückmeldungen, Anregungen und Ideen liefern könnten.

Die Zukunft wird geprägt sein von bewährten Produkten und Dienstleistungen, aber auch von Dingen, die völlig neu geschaffen werden. Auch im Handwerk – da ist Professor Piller sicher. Seine vielleicht wichtigste Botschaft: „Bleiben Sie offen für Neues!“

HWK Aachen/pp/Agentur ProfiPress


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Autor(in): Klaus Schäfer
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