WIR. LEBEN. EIFEL.
WIR. LEBEN. EIFEL.
Menu
13. Februar 2014

„Ein anderer sein, um der Gleiche zu bleiben“

Ein Atelierbesuch bei dem renommierten Maler, Musiker und Poeten Pavle Perovic in der Firmenicher Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat (Nordeifel) – Beobachtungen der Kulturkorrespondentin Claudia Hoffmann für die Agentur ProfiPress

Mechernich – Betritt man das Atelier von Pavle Perovic in der Firmenicher Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat (Stadt Mechernich, Nordeifel), dann Vorsicht! Man läuft zwangsläufig  Gefahr, sich umgehend in diesen Ort zu verlieben.

Vom Eingangsbereich im Erdgeschoss der ehemaligen Steinzeugfabrik aus blickt man in einen zwar klar übersichtlichen Raum, der angefüllt ist mit einer Fülle von wertvollen Dingen, die eine zauberhafte Pracht ausstrahlen. Einrichtung nach den in Mode befindlichen Prinzipien des „Feng shui“ ist das nicht.

Das Licht flutet nach innen. Der erste Blick erhascht einen gediegenen alten Bechstein-Flügel, an dessen Fuß Perovics Gitarre lehnt. Linkerhand eine prächtige Bibliothek – ledergebundene Folianten, historische Handschriften, eine alte Bibel, Klassiker der Weltliteratur, Gedichte, Bildbände aus allen Kontinenten und Bücher mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Pavles Heimatstadt Zadar. Zwischen den Familienbildern tummeln sich allerhand Kuriositäten und Kleinigkeiten, wie ein Set bunter Billardkugeln ausrangierte Silvesterkracher, verschiedene Golfbälle und ein altes Armee-Messer.

Auf dem Tisch wartet eine angefangene Schachpartie auf ihre Fortsetzung und aus den Lautsprechern erklingt leise klassische Musik. Und, jetzt kommt es,  überall Bilder. Nicht nur an den Wänden, auf Staffeleien rings im Atelier warten unvollendete Werke darauf, dass der Meister weiter malt.

Lebenskünstler, Kroate, Europäer, Freiheitskämpfer

Die Themen, Techniken und Stile, die sich da widerspiegeln, sind so vielseitig wie der Mann, der sie geschaffen hat. Sie entspringen Pavle Perovics Drang,  „ein anderer zu sein, um der Gleiche zu bleiben“, wie er später erzählt. Der Mann ist nicht nur Maler, er ist auch Musiker, Sänger, Poet, Lebenskünstler und Weltbürger. Früher war der 1952 in Zadar geborene Kroate auch Freiheitskämpfer und später Diplomat, der weltweit für sein Heimatland warb, verhandelte, beschaffte und auch handfest eintrat, was ihn gottlob nicht nur, aber auch mit dem Innenleben von Gefängnismauern in Berührung brachte.

Das faszinierende Muskelspiel des „Eifelstiers“ offenbart eine urwüchsige Dynamik. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Das faszinierende Muskelspiel des „Eifelstiers“ offenbart eine urwüchsige Dynamik. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Die Staffelei rechterhand ziert – in einem frühen Stadium der Komposition – eine große Leinwand mit den Konturen eines Pferdes. Auf der hinteren Atelierwand galoppiert unterdessen ein großformatiger Stier, dessen faszinierendes Muskelspiel urwüchsige Dynamik offenbart. Gleich daneben verharrt ein spanischer Torero vor seinem großen Auftritt, abseits des Scheinwerferlichts, in tiefer Konzentration.

Planken, Kiele, Spanten: Sediment aus Kindertagen

Auf der schräg gegenüberliegenden Staffelei zeigt eine gleichermaßen detailreiche wie nostalgische Zeichnung in Kohle und Bleistift zerbrochene Fischerboote am Ufer, deren Planken, Kiele und Spanten wie Knochen zerfallender Skelettteile ineinander gehen und Grenzen und Konturen verwischen, wie Überreste aus Pavles Kindheitsträumen von der kroatischen Adria.

Unter die Fischerboote hat Perovic mit geschwungener Schrift ein Gedicht in kroatischer Sprache gesetzt. Alles ist mit allem irgendwie verbunden und verknüpft. Für den traurigen skeptischen Clown rechts im Hintergrund hat Perovic ein kleines Lied komponiert . . .

Ein spanischer Torero verharrt kurz vor seinem großen Auftritt, abseits des Scheinwerferlichts, in tiefer Konzentration. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Ein spanischer Torero verharrt kurz vor seinem großen Auftritt, abseits des Scheinwerferlichts, in tiefer Konzentration. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Der Künstler, der in diesem Ambiente seine Kreativität zum Ausdruck bringt, tritt Reporterin und Fotograf der Agentur ProfiPress im schwarzen Anzug gegenüber. Sein Lächeln ist gewinnend, während er gerade zwei köstlich duftende Tassen Kaffee aus der Küche balanciert. Der erste Eindruck verfestigt sich im Gespräch: Ein sehr kultivierter Mann, was selten geworden ist . . .

Pavle Perovics künstlerische Bandbreite wird immer erstaunlicher, je länger man sich mit ihm unterhält. Pavle Perovic besitzt so etwas wie das magische Auge. Er beherrscht viele Stile und Techniken in der Malerei und sagt: „Ich könnte auch Fälscher sein, hat mir mal einer gesagt“. Aber der begnadete Autodidakt produziert nur Originale, und das so perfekt, dass sie theoretisch auch von verschiedenen Kunstschaffenden verschiedener Epochen und Richtungen stammen könnten.

Der Mann, der von frühester Kindheit an von seiner Mutter in seinen Talenten gefördert  wurde, versteht sich auch auf Poesie, Gesang und Musizieren. Und was angesichts der tiefgründigen Perfektion seiner Werke vielleicht am meisten verwundert: Perovic ist in allen diesen Bereichen ursprünglich Autodidakt, also einer, der sich die Dinge im weitesten Sinne selbst beibringt und sie und sich selbst weiterentwickelt.

An Kroatiens Unabhängigkeit und den Fall der Mauer geglaubt

Pavcle Perovics Lebensgeschichte verschlägt uns den Atem. Als junger Mann, zu Titos Zeiten, war er Freiheitskämpfer für ein unabhängiges Kroatien im sozialistischen Vielvölkerstaat Jugoslawien. 1972 wurde er als junger Student in Ex-Jugoslawien wegen politischer Meinungsäußerung inhaftiert und misshandelt, wie er erzählte . 1973 gelang ihm die Flucht nach Deutschland, wo man ihm politisches Asyl gewährte. 1976 wurde er auch dort verhaftet und als krimineller „Terrorist“ zu neun Jahren verurteilt.

In Perovics Atelier befindet sich auch eine prächtige Bibliothek mit ledergebundenen Folianten, historischen Handschriften, einer alte Bibel, Klassikern der Weltliteratur, Gedichten, Bildbänden aus allen Kontinenten und Büchern mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Pavles Heimatstadt Zadar. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

In Perovics Atelier befindet sich auch eine prächtige Bibliothek mit ledergebundenen Folianten, historischen Handschriften, einer alte Bibel, Klassikern der Weltliteratur, Gedichten, Bildbänden aus allen Kontinenten und Büchern mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Pavles Heimatstadt Zadar. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

„Ich war ein kleiner Chip im großen politischen Poker“, bilanziert er. Anders als viele seiner Freunde und Weggefährten hat Perovic diese schlimme Zeit überlebt und blickt mit Stolz zurück: „Ich war einer der wenigen Ex-kroatischen politischen Migranten, die überlebt und dazu beigetragen haben, dass Kroatien 1991 frei wurde“. Perovics inniger Dank gehört seiner Frau Annemarie die aus Liebe zu ihm, „alles mitgemacht und mitgetragen, mitgelitten, geglaubt, gebetet, gehofft und gesiegt“ hat . Seit 1976 lebt Perovic glücklich in Deutschland und ist überaus stolz auf seinen deutschen Sohn Pavle junior, der seinen kroatischen Vater sehr verehrt.

25 Jahre lang hat er jede einzelne Sekunde felsenfest daran geglaubt, dass die Berliner Mauer eines Tages fallen würde. Auch heute versteht sich Perovic, als „Christ, der auf die Barrikaden geht“.  Ein Sohn seines Volkes, mit allen Fasern seines Wesens im heimatlichen Boden wurzelnd, ist Perovic gleichwohl ein überzeugter Europäer, Kosmopolit und Weltbürger, der sich übrigens in elf Sprachen fließend verständigen kann und der in der Firmenicher Zikkurat seit drei Jahren eine neue Wirkungsstätte gefunden hat.

Rund 50 seiner mittlerweile über tausend Bilder hat er dort gemalt. Nicht wenige von ihnen hängen heute neben den großen Meistern in den renommiertesten Häusern und Galerien der Welt. Und noch viel mehr hat er verschenkt, weltweit, an Freunde, an Menschen, die ihm nahe stehen und aus Dankbarkeit an solche, die Kroatien geholfen haben.

Diese detailreiche Zeichnung in Kohle und Bleistift zeigt zerbrochene Fischerboote am Ufer, deren Planken, Kiele und Spanten wie Knochen zerfallender Skelettteile ineinander gehen. Grenzen und Konturen verwischen, wie Überreste aus Pavles Kindheitsträumen von der kroatischen Adria. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Diese detailreiche Zeichnung in Kohle und Bleistift zeigt zerbrochene Fischerboote am Ufer, deren Planken, Kiele und Spanten wie Knochen zerfallender Skelettteile ineinander gehen. Grenzen und Konturen verwischen, wie Überreste aus Pavles Kindheitsträumen von der kroatischen Adria. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Perovics Liebe zur Kunst wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Entdeckt hat er sie durch seine Mutter, Milena Perovic, die ebenfalls Künstlerin ist, und kürzlich im Alter von 95 Jahren sogar noch ein Buch geschrieben hat. Sie ist „Trägerin von Wissen und Geheimnissen“, schmunzelt Pavle, und seine größte Förderin: Sie hat ihm Leinwände besorgt als er noch ein kleiner Junge war – in Titos Zeiten ein höchst schwieriges Unterfangen – und ihn immer wieder gebeten: „Mal mir ein Bild“.

„Die großen Meister hatte Talent, keine Professoren“

Eine akademische Ausbildung in Sachen Kunst hat er selbst nie genossen, stattdessen Arbeitswissenschaft in Zagreb studiert. Dann kam die Flucht. Aber auch „die großen Meister hatten keine Professoren, sie hatten Talent“, findet Pavle Perovic.

Wenn Perovic ein Bild beginnt, fertigt er keine Skizzen oder Studien: „Gute Bilder entstehen Farbe auf Farbe und nur mit der Zeit.“ Es verhalte sich wie mit den Melodien in der Musik: „Dort gibt es im Grunde nur sechs Noten. Denken Sie nur, welche großartigen Werke daraus entstanden sind?!“, sagt der Künstler. Das Geheimnis liege in der Zeit, die man sich nimmt. Zeit, die in unseren Tagen oft verloren gegangen sei.

An der Wand des Ateliers hängt irgendwo ein Rembrandt, eine „echte“ Fälschung. Am besten findet er die Ruhe, wenn um ihn herum großer Krach ist, dann hört er „Deep House“ – die Musik, mit der sich sein Sohn als erfolgreicher DJ und Produzent in Köln gerade einen Namen in der deutschen Musikszene macht.

In vielen seiner Bilder spiegeln sich sozial-religiöse Themen – ohne theoretisieren, belehren oder neu erfinden zu wollen. Pavle Perovic ist tief im christlichen Glauben verwurzelt, vier seiner Onkel wirkten als Missionare in Jerusalem und Afrika, sein Onkel Frater Bonifatius hat 1924 den Ersten Soziologischen Weltkongress organisiert.

Bescheiden sieht sich Perovic selbst nicht als „besonders großen Künstler“, vielmehr als „Maler, der Gott für das Talent dankt, das ihm gegeben wurde“ und das er auch nicht „vergraben will“. Seine Vision: In christlicher Liebe miteinander zu sprechen, denn „sonst sind wir eines Tages die letzten Mohikaner, die ihresgleichen nicht mehr finden.“ Kunst könne helfen, „die Augen zu öffnen“.

Die Bilder Perovics, wie dieses Bild seines Sohnes, bestechen durch ein faszinierendes Spiel mit Licht und Schatten. Wie bei seinem großen Vorbild Rembrandt ist die Lichtquelle selbst oft nicht zu sehen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Die Bilder Perovics, wie dieses Bild seines Sohnes, bestechen durch ein faszinierendes Spiel mit Licht und Schatten. Wie bei seinem großen Vorbild Rembrandt ist die Lichtquelle selbst oft nicht zu sehen. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Der Ästhet Perovic liebt es, „Schönes zu schaffen“, auch wenn man vielleicht später versteht, dass eine tiefere Dimension in seinen Bildern enthalten ist. Für ihn ist ein Bild nie vollendet. Ein Strich sei entstanden im Moment und als solcher habe er Wert. Perovic liebt auch den Reiz, Licht in einen dunklen Raum zu bringen. Das verbindet ihn mit seinem großen Vorbild Rembrandt, in dessen Bilder die Lichtquellen, anders als beispielsweise beim Helldunkel eines Corregio, meist unsichtbar sind.

„Das Wissen entsteht aus dem Glauben“

Derzeit bereitet Pavle Perovic gemeinsam mit dem ebenfalls in der Firmenicher Kultur- und Freizeitfabrik Zikkurat wirkenden Künstler Ante Milas eine Ausstellung vor, die zur Eröffnung der Landesgartenschau in Zülpich ihre Premiere feiern und danach in allen großen Städten Europas zu sehen sein soll.

Am Ende ihrer mehrmonatigen „Tournee“ sollen die „14 Apostel“, so der Titel der einmaligen Komposition aus 14 Einzelbildern der zwölf klassischen Apostel plus Paulus und Judas,  im Vatikan auktioniert werden. Über dieses Vorhaben wird man in den nächsten Wochen in den Medien mehr erfahren können.

Alles, was er in seinem Leben gemacht habe, so Pavle Perovic bei unserem Atelierbesuch, „ ob schlecht oder gut, das habe ich bewusst gemacht und die Kraft dazu aus dem Glauben gewonnen.“ Denn in seinen Augen ist es „nicht wichtig zu wissen, sondern zu glauben“. Denn aus dem Glauben entstehe  Wissen . . .

Claudia Hoffmann/pp/Agentur ProfiPress

Kategorien:
Sonstiges

Als PDF speichern
Print Friendly, PDF & Email
Seite Teilen Über:


Autor(in): Klaus Schäfer
Kommentare einblenden Kommentare ausblenden

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Weitere Beiträge